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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt
Autoren: Dora Heldt
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kein Wort gesprochen. Sobald sie aus der
     Haustür waren, fing er an Staub zu saugen. Leider kehrten sie noch vor ihrem Auto um, weil Leonie ihren Schal vergessen hatte.
     Bernd öffnete die Tür mit dem Staubsauger in der Hand, es blieb ihr einziger Besuch.
    Plötzlich fiel mir bei diesen Namen aber ein anderer ein, das löste wieder Tränen aus.
    »Und was ist mit Antje?«
    Ines schrieb schon einmal Punkt drei.
    »Antje, hör mal, ihr seid seit fünfundzwanzig Jahren befreundet, davon habt ihr fünfzehn Jahre in verschiedenen Städten gewohnt.
     Da habt ihr schon andere Dinge zusammen geschafft.«
    Antje war meine längste und beste Freundin. Ich hatte sie nach ihrer Scheidung vor einigen Jahren überredet, von Hamburg in
     meine Nähe zu ziehen. Sie und ihre beiden Kinder, meine Patentöchter. Wir wohnten jetzt fünf Kilometer auseinander. Ich würde
     sie jetzt im Stich lassen.
    |14| Eine Welle von Elend durchlief meinen Körper. Meine Fassung war wieder dahin.
    Ich würde auch meine Katzen im Stich lassen müssen, ich kannte keinen Zahnarzt in Hamburg, keine Autowerkstatt, keinen Bäcker,
     alle vertrauten Wege waren weg, nie wieder mit Bernd Weihnachten, nie wieder sonntags frühstücken, nie wieder Geburtstag,
     was würden meine Eltern sagen.
    Ines beobachtete mich und versuchte sich einen Reim auf mein tränenersticktes Gestammel zu machen. Das Wort Eltern hatte sie
     verstanden, unter Punkt drei schrieb sie Sylt.
    »Von Hamburg aus bist du schneller zu Hause als von deinem Kaff. Mindestens zwei Stunden weniger.«
    Bernd hasste Sylt. Meine Eltern lebten nach wie vor da, wir hätten viel öfter hinfahren können, ihm war die Fahrt zu lang.
     Also fuhr ich auch nur selten. Und hatte oft Heimweh.
    Langsam beruhigte ich mich wieder. Mittlerweile war es 3:30   Uhr.
    Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Ines musste in vier Stunden in der Klinik sein. Sie sah sehr müde aus und gähnte.
    Ich riss mich zusammen.
    »Komm, wir müssen ins Bett. Ich habe nicht gemerkt, wie spät es schon ist.«
    »Macht ja nichts. Also dann, versuche zu schlafen und weck mich, wenn was ist.«
    Sie strich mir über die Wange, was mir wieder die Tränen in die Augen trieb, und ging ins Bad.
    Ich sah die letzten drei Stunden dieser Nacht immer wieder dieselben Bilder.
    Bernd, braungebrannt, als ich ihn kennen lernte, wir beide am Strand, auf Partys, im Garten, in Portugal im Urlaub, sein Gesicht
     morgens, mittags, abends.
    Während mir die Tränen unentwegt übers Gesicht liefen, glaubte ich felsenfest daran, dass ich die Liebe meines Lebens verloren
     hatte.

|15|

    Die Verletzung
    Ich fühlte mich zerschlagen und betäubt, als ich ein paar Stunden später auf dem Weg zu meinem ersten Termin war.
    Meine Kunden waren Buchhändler, sie bestellten bei mir die neuen Bücher verschiedener Verlage, um sie anschließend an ihre
     Kunden zu verkaufen. Ich kannte meine Einkäufer schon seit Jahren, ich hoffte, keiner von ihnen würde mir ansehen, dass heute
     Tag eins nach der Katastrophe war. Mitleid hätte ich nicht ertragen.
    Anscheinend merkte niemand etwas, zumindest sprach mich keiner darauf an.
    Ich spulte mein Programm ab, bewegte und unterhielt mich mechanisch und hoffte, sicher durch diesen Tag zu kommen.
    Erst auf der Rückfahrt überfiel mich wieder diese Trauer und löste mit der Angst vor dem Gespräch meine Betäubung ab.
    Als ich vor dem Haus auf die Auffahrt fuhr, kam es mir eigenartig vor, dass alles so aussah, wie ich es verlassen hatte. Meine
     Katzen liefen mir entgegen, der Briefkasten am Haus war voll, mein Nachbar winkte mir zu, alles war wie immer.
    Bernd hatte mich vom Fenster aus gesehen und öffnete mir die Haustür, das war anders.
    Er räusperte sich, lächelte verlegen und nahm mir meine Tasche ab, was ihn selbst überraschte.
    »Na, wie war’s?«
    Mir fiel keine Antwort ein. Nicht zu dieser Nacht und diesem Tag.
    »Ähm, hast du was gegessen? Tass’ Kaff’?«
    Ich hatte das Gefühl, alles sei falsch.
    |16| »Ich habe keinen Hunger. Ich will reden.«
    Ich setzte mich an den Küchentisch. Bernd begann umständlich die Katzen zu füttern. Ich sah ihm eine Weile dabei zu.
    »Bernd, bitte, mach die Schüsseln voll und gut!«
    Er stellte sich an die Spüle und schrubbte den Wassernapf. Mit einer Spülbürste.
    Ich bekam pochende Kopfschmerzen, meine Haut kribbelte. Mit großer Anstrengung konzentrierte ich mich darauf, nicht die Fassung
     zu verlieren.
    Schließlich setzte er sich auf den Stuhl mir gegenüber. Sofort
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