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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Parkplatz, auf dem einzig und allein mein Auto ein winziges Plätz chen beanspruchte.
    »Wissen Sie, ich wollte eigentlich–«
    »Man sollte annehmen, daß das Schild dort drüben gut lesbar ist. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen …«
    Ich ließ HeSieda weiterreden und widmete mich seinem Äußeren. Er war klein und stämmig, hatte lichtes schwarzes Haar und trug einen gestutzten schwarzen Vollbart, der lediglich seinen Mund umgab. Ich überlegte gerade, wie ein solcher Bart hieß. Angie hätte es bestimmt gewußt. Das Entscheidende bei diesen Bärten war, daß die Verbindung zwischen Bart und Haupthaar fehlte. Das Wort lag mir wirklich auf der Zunge. HeSieda, dem ich schon seit geraumer Zeit in seinen Ausführungen nicht mehr gefolgt war, machte eine Pause. Ob er mir eine Frage gestellt hatte?
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, versuchte ich es, »Ruhe und Ordnung sind das Wichtigste an einer Schule wie der Ihren. Ich werde Ihren Rat beherzigen und mich in der Zukunft immer an Ihren gut gemeinten Vorschlägen orientieren.« HeSieda schaute mich fassungslos an. »Und übrigens«, merkte ich noch an, »Ihr Bart, der ist echt chic!« HeSieda stand mit offenem Mund da, als sei er im Teer verwurzelt. Ich nutzte die Gelegenheit und verschwand um die nächste Ecke. Die Glastür, an der ich rüttelte, blieb gnadenlos verschlossen. Ich lief um das Hauptgebäude herum. Wo war denn jetzt die Holzpforte geblieben? HeSieda hatte mich gründlich verwirrt. Endlich, da war sie. Ich lief im Laufschritt die Treppenstufen nach oben und versuchte die Tür zu öffnen, vorsichtig natürlich. Tatsächlich gab die Pforte nach einigem Bemühen nach, und ich stand in einem halbdunklen Vorraum. Von dort führte eine Tür in eine Art Vestibül. Langsam kam mir die Erinnerung an diesen Gebäudeteil wieder. Die lebensgroße Madonnenstatue, die von einem Mosaikbogen an der Wand eingefaßt war, erkannte ich auf Anhieb wieder.
    »Haben Sie sich verlaufen?« Eine hochgewachsene Schwester blickte mich durch ihre dicke Brille neugierig an. Sah ich eigentlich wie ein aufdringlicher Zeitschriftenaboverkäufer aus, oder warum traute niemand in diesem ehrwürdigen Schulgebäude mir zu, daß ich ein ernsthaftes Anliegen hatte?
    »Ich hoffe nicht«, antwortete ich in einem gewollt lockeren Tonfall. Die in dezent graue Tracht gekleidete Schwester beäugte mich weiter mißtrauisch, was ihr leicht fiel, da sie mich um einige Zentimeter überragte.
    »Um genau zu sein, soll ich von nun an hier arbeiten.«
    Ein wohlwollendes Lächeln huschte über das Gesicht meines Gegenüber. »Na, dann werden Sie sich wohl noch öfter hierhin verlaufen.« Schwester Unbekannt lachte herzlich, und ich stimmte höflich ein. Meine Empfangsdame war nicht nur extrem groß, sondern auch sehr dünn. Sie hatte schwarzes Haar, das sich unter ihrer Haube herauskräuselte. Wieviel Zentimeter Haar wohl bei einer Schwester des Elisabeth-Gymnasiums sichtbar sein durften?
    »Ich bin Schwester Dorothea«, stellte sie sich nun vor und reichte mir sogar die Hand.
    »Vincent Jakobs.« Beinahe wäre ich unter ihrem Händedruck in die Knie gegangen.
    »Ich bin für die Buchhaltung des Hauses zuständig. Mit mir werden Sie zu tun haben, wenn es um Ihre Gehaltsabrechnung geht. Darf ich fragen, was Sie unterrichten?«
    »Deutsch und Geschichte.«
    »Na, daß es nicht Sport ist, hatte ich mir schon gedacht.« Mir blieb das Lächeln zwischen den Zähnen stecken. Dorothea versteckte ihr eigenes Lachen unter einem Hüsteln und schaute dann auf die Uhr.
    »Um Himmels willen, die heilige Sext beginnt gleich. Wenn Sie mich entschuldigen wollen!«
    »Die Sext?« Ich mußte feststellen, daß es Wörter gab, die ich noch nie gehört hatte.
    »Unser Mittagsgebet in der Kapelle«, erklärte Schwester Dorothea. »Kann ich noch etwas für Sie tun?«
    »Für mich sind Unterlagen hinterlegt worden«, erklärte ich. »Haben Sie eine Ahnung, wo ich die finden kann?«
    »Wahrscheinlich gar nicht«, meinte Dorothea grinsend. »Nein, im Ernst. Vermutlich im Lehrerzimmer. Allerdings muß ich jetzt die Pforte verschließen, und dann können Sie anschließend nicht mehr heraus. Würde es Ihnen etwas ausmachen, später noch einmal wiederzukommen?« Ich schüttelte den Kopf. Es machte mir wirklich nichts aus, nicht auf Anhieb mit der anstehenden Arbeit konfrontiert zu werden.
    »Ach übrigens, Deutsch und Geschichte.« Schwester Dorothea folgte mir zur Pforte. »Dann sind Sie bestimmt der Nachfolger von Bruno
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