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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Sauerländern gewarnt hatte. Entweder bekam ich es nur mit Zugezogenen zu tun, oder das Klischee stimmte einfach nicht. Ich kam mir jedenfalls vor, als suchten die Leute regelrecht jemanden, dem sie die Hucke vollquatschen konnten.
    Ich ließ mir von dem Lockenkopf den Weg zur Pension Dreisam erklären und stand auf. Vorne im Verkaufsraum sprach Laura gerade mit der superblonden Bedienung. Ich bezahlte und bedankte mich für ihre Hilfe.
    Sie winkte ab. »Viel Glück wünsche ich Ihnen!« sagte sie, ohne mich anzusehen, und ihre Worte klangen mir lange in den Ohren.

3
    Idylle. Nach und nach entstand dieses Bild eines sauerländischen Städtchens in meinem Kopf. War es nicht eine anrührende Vorstellung, daß man sich hierzulande noch so nahe war? Daß man auf dem Markt ein Schwätzchen halten konnte und in der Kneipe immer ein paar Bekannte traf? Hier gab es noch Heimat! Und ich würde demnächst dabei sein, denn ich wurde hier als Lehrer gebraucht. Mit diesem Gedanken wollte ich mich nun auf den Weg zu meiner künftigen Arbeitsstätte machen.
    Mein Aktionismus wurde gebremst, als ich an meinem Auto ein Knöllchen über dreißig Mark fand. Ich hatte einen Anwohnerparkplatz benutzt. Das Knöllchen sollte nicht das letzte gewesen sein. Nachdem ich mich aus den Altstadtgäßchen hinausgeschlängelt hatte, fand ich den Weg zur Schule ziemlich schnell. »Immer nach oben« traf eigentlich von jedem Ausgangspunkt aus zu.
    Ich ließ meinen Wagen über das letzte Stück Kopfsteinpflaster rumpeln und fuhr dann links durch das geöffnete Schultor hindurch. Ich hielt auf dem Lehrerparkplatz, wo außer mir nichts und niemand zu sehen war. Kein Mensch, kein Auto, kein Lebenszeichen. Ich blieb einen Augenblick im Auto sitzen und starrte auf das Schulgebäude, das sich ebenfalls nicht gerade als Hort fröhlichen Lebens und Lernens präsentierte. Zugegeben, die Osterferien hatten gerade begonnen. Aber war das ein Grund, daß alle Angehörigen diesen Ort fluchtartig verlassen hatten? Warum war die Öko-AG nicht gerade damit beschäftigt, einen neuen Schulteich anzulegen? Und warum nutzten nicht ein paar nette Kollegen die Ruhepause der Ferien, um ihre Lernziele und Methoden zu diskutieren? Nichts, kein Mensch! Ein tiefer Seufzer entfuhr meiner empfindsamen Junglehrerbrust. Nun, ich würde mich der kalten Realität dieser gottverlassenen Schule stellen. Gottverlassen. Ich schmunzelte, während ich unter Kraftanstrengungen die Autotür öffnete und meine Glieder aus dem Auto schälte. Menschenleer war wohl der passendere Ausdruck für ein Gymnasium, das von einem katholischen Orden geführt wurde. Mein Blick schweifte über den Gebäudekomplex. Als ich wegen des Vorstellungsgesprächs hier gewesen war, hatte ja alles in der Dämmerung eines ungemütlichen Februarabends gelegen. Ein verschwommenes, riesiges Etwas, an dem ich nicht einmal die Eingangstür auf Anhieb gefunden hatte. Erst heute nahm ich die Aufteilung des Ganzen richtig wahr. Hier stand ich wohl vor dem Hauptgebäude, einem alten, dunklen Gemäuer, das durch große, weiß gestrichene Fenster einigermaßen aufgehellt wurde. Na ja, den Club der toten Dichter hätte man hier nicht drehen können, aber so eine gewisse altersbedingte Würde war schon vorhanden. Turnhalle, Fachtrakt – ja, so langsam kam die Erinnerung wieder. Ich ließ meinen Blick weiter schweifen. Der Schulkomplex war von einem gewaltigen Park umgeben, und ich versuchte mich an dem Gedanken hochzuziehen, daß es ungemein sinntragend aussehen würde, wenn ich über pädagogische Probleme grübelnd durch das hauseigene Grün wandeln würde.
    »He, Sie da!« Ich drehte mich um, herausgerissen aus meinen romantischen Träumereien. Die Quelle menschlicher Lautbildung war ein typischer »He Sie da« – Rufer, das sah ich auf den ersten Blick. Ob ich es mit dem Hausmeister zu tun hatte? Ich ging langsam auf ihn zu.
    »Haben Sie das Schild da nicht gesehen?« fuhr der vermeintliche Hausmeister mich an.
    »Ein Schild?« Hatte ich ein Hinweisschild übersehen, das wegen einer Ordensmeditation Eindringlinge für unerwünscht erklärte? Ich wollte mich gerade zu dieser Erklärung für die absolute Regungslosigkeit an der Schule beglückwünschen, als der »He Sie da« – Rufer mich weiter anraunzte.
    »Dies ist ein Lehrerparkplatz! Dort drüben hinter dem Schultor steht ein Hinweisschild, das ausdrücklich darauf aufmerksam macht, daß nur Lehrkörper ihre Autos hier abstellen dürfen.« Ich blickte über den riesigen
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