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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene
Autoren: Kathrin Heinrichs
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lieber in die bequeme Bewußtlosigkeit zurückkehren wollte. Ich entschied mich dagegen. Die Besichtigung meiner Autoreste würde ich nicht ewig umgehen können.
    »Wo ist mein Auto? Gibt es Verletzte?«
    Der Strohblonde griente noch mehr. »Außer Ihnen niemanden. Der Zug fährt an dieser Stelle immer ganz langsam und hat rechtzeitig angehalten. Wir haben Ihr Auto weggesetzt.«
    Ich richtete mich auf. Tatsächlich! Dahinten auf dem Parkstreifen stand mein roter Wagen unversehrt.
    »Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
    Irgendeine Zelle meines Gehirns signalisierte schwach, daß diese Frage doppeldeutig gemeint sein könnte.
    »Glaub schon!«
    Ich stellte mich auf meine Beine und sortierte den Rest meines Körpers. Soweit ich das beurteilen konnte, war alles noch an seinem Platz und nichts gebrochen. Irgendwie schienen meine Aufenthalte in dieser Stadt nicht ganz unproblematisch ablaufen zu wollen. Letztes Mal hatte ich mir den Knöchel verstaucht, diesmal den ganzen Körper. Hoffentlich kam ich hier lebend wieder weg!
    Ich blickte meinen strohblonden Lebensretter an. Er hieß Max und war Taxifahrer. Anstatt Dankessalven entgegenzunehmen, erkundigte er sich besorgt, ob ich wirklich nicht zum Durchchecken ins Krankenhaus wollte. Ich verneinte tapfer.
    »Na dann!« Max fuhr dann ab mit seinem Taxi, und ich war allein.
    Der Park war nicht sehr einladend, weil er viel zu nah an der Straße lag. Trotzdem: Was ich jetzt brauchte, war Entspannung. Ich nahm also in Kauf, daß ich mich schon am ersten Tag in die Riege der Stadtstreicher einreihte, legte mich auf die Parkbank und schloß die Augen. In Gedanken wiederholte ich meinen Sprung über die Bahnschranke. Ich hätte Schimanski alle Ehre gemacht. Mußte wirklich toll ausgesehen haben. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
    Als ich die Augen öffnete, blitzte die Sonne durch die Baumkronen. Eine ganz zarte Wärme überzog mein Gesicht. Es wird Frühling, dachte ich. Zeit für einen Neuanfang. In jedem anständigen Roman würde der Held sich jetzt aufsetzen und die Eroberung dieser Stadt mit einer positiven Einstellung beginnen. Als ich mich schwungvoll aufsetzte, brach mir beinahe das Rückgrat durch. Der Sprung über die Schranke hatte wohl weniger mit Schimanski zu tun gehabt als mit Derrik kurz vor der Pensionierung. Ich stöhnte und biß die Zähne zusammen. Mit Mühe hatte ich den Entschluß gefaßt, diesen ländlichen Raum durch meine Anwesenheit zu bereichern, und jetzt war ich auch bereit, die Sache durchzuziehen. Zumindest bis zur dritten schweren Depression!
    Als ich mit dem Auto mitten ins Stadtzentrum kurvte, fand ich mich plötzlich in einem Gewirr schmaler Gäßchen wieder. Überall waren Einbahnstraßen, und die Enge der Gassen ließ nur ein einziges Auto zu. Immer wieder mußte man ausweichen, indem man sich halb in das Mauerwerk eines Hauses quetschte. Der Supergau war erreicht, als sich der Müllwagen daran machte, in den Gassen die Tonnen zu leeren. Ich flüchtete auf einen Seitenstreifen, der mir wie ein Geschenk erschien, parkte dort und lief zu Fuß weiter. Windschiefe, restaurierte Fachwerkhäuschen standen wie aneinandergekuschelt da. Die Bäume brachten das erste Grün hervor, und hier und da standen sogar schon ein paar bepflanzte Blumenkästen vor den Fenstern. Anheimelnd! Idyllisch! Mir fielen tausend Ausdrücke ein, um diese hübsche Stadt zu beschreiben. Soviel adrette Schönheit konnte doch nicht erlaubt sein. Dahinter mußte sich doch etwas Unheilvolles verbergen. Aber nichts da! Dies hier war eine Vorzeigestadt. Es mußte traumhaft sein, hier zu wohnen. Es mußte einfach phantastisch sein, die Kinder hier großzuziehen. Man ging einmal im Monat essen, die lieben Kleinen nahmen die Angebote der städtischen Musikschule in Anspruch und man selbst besuchte wöchentlich den Kirchenchor. Das Leben ging ruhig und beschaulich vonstatten. Ab und zu stellten sich die Schwiegereltern ein, die natürlich nur eine Straße weiter wohnten und mit denen man sich ganz glänzend verstand. Ich hatte nur ein Problem. Ich hatte keine Familie, ich sang nicht gerne und wollte mein Leben nicht ruhig und beschaulich beschließen. Kurz: Dies hier war eine schöne Stadt, aber eben nicht meine Stadt. Ich stöhnte gehaltvoll, schloß die Augen und hoffte, daß ich vorm Severinstor in Köln stehen würde, wenn ich sie wieder öffnen würde.
    »N’schönen Platz fürs Mittagsschläfchen, woll?«
    Ich riß die Augen auf. Statt des Severinstors stand ein älterer Mann mit
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