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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Autoren: Emily Byron
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aufkam. Dazu immer noch eine Menge Schiss. Aber wer wollte das einem auch verdenken, so als Frau alleine in der großen, bösen Stadt? Man las ja jeden Tag von so vielen Schauergeschichten, Vergewaltigung hier und Raubmord da!
    Geduckt wie eine kleine Katze vor dem Sprung schlich ich mich langsam auf allen vieren an die Balkontür heran. Nur dass ich im Notfall nicht hätte angreifen wollen, sondern eher flüchten. Links von der Balkontür versteckte ich mich noch mal schnell hinter dem Vorhang, wobei das im Nachhinein betrachtet ein völlig sinnloses Manöver war. Der Vorhang war halbtransparent, und wenn jemand auf dem Balkon gestanden hätte, dann hätte er mich schon längst bei meiner albernen Krabbeltaktik erspäht gehabt.
    Und sich wahrscheinlich vor Lachen in die Hosen gemacht.
    Ein sich selbst einnässender Axtschwinger. Der Gedanke hatte was.
    Wenn es mir geholfen hätte, dann hätte ich mich auch mit meinem blanken Hintern rückwärts zum Fenster bewegt. Aber da war wirklich niemand. Somit alle Theorie umsonst. Relativ beruhigt wagte ich mich allmählich wieder auf meine zwei Beine und schalt mich selbst wegen meiner Hysterie. Trotzdem war da etwas auf meinen Balkon gelangt, was eindeutig nicht von mir stammte und – noch eindeutiger – heute früh noch nicht dort gelegen hatte. Das wär mir sonst bei meinem allmorgendlichen Tee-trink-und-dabei-auf-die-Strasse-schau-Ritual aufgefallen. Definitiv.
    Ich öffnete die Fenstertür und erschauerte in der kalten Novemberluft, die sich umgehend einer Hydra gleich um meine bisher warmen Kuschelklamotten schlängelte. Ein kurzes Blinzeln, dann blickte ich auf das, was neben meiner Zuckerhutfichte lag. Ein paar kleine Kieselsteinchen, die offenbar an mein Fenster geworfen worden waren. Und – ein Ast. Ich musste genauer hinschauen. Nicht irgendein Ast. Herzförmige Blätter, an den Rändern abgerundet und innen gezeichnet von kleinen, feinen Verästelungen. Unverkennbar. Das war ein Ast einer Pappel. Wie kam der hierher, auf meinen Balkon? Weit und breit gab es hier nicht einen einzigen meiner Lieblingsbäume, nur ein paar Birken säumten die zu dieser Uhrzeit menschenleere Straße. Ich trat in die kalte Nachtluft, der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Vorsichtig bückte ich mich und hob den Ast auf. Da war etwas an ihm befestigt.
    Ich musste mir noch mal kurz die Augen reiben, um sicher zu gehen, dass ich nicht noch immer träumte.
    Eine Strähne.
    Eine Strähne schwarzen Haares, an den Ast gebunden mit einer kleinen, ebenso schwarzen Satinschleife. Was hatte das zu bedeuten?
    So langsam machte ich mir doch Gedanken, ob ich mich nicht mal zwicken sollte. Die Kälte allein war allerdings schon der beste Wachmacher, den man sich wünschen konnte. Erneut einmal geblinzelt, doch die zarte Satinschleife samt Haarsträhne befand sich noch immer an den Ast gebunden, und der Ast befand sich weiterhin in meiner rechten Hand. Erneut überzog mich eine Gänsehaut, und die kam diesmal nicht von der kalten Novemberluft.
    Wer hatte mir diesen Ast auf den Balkon gelegt? Ein Blitz schoss mir durch den Kopf. Pappel.
    Dunkles Haar.
    Der Fremde aus dem Park.
    Woher hatte er gewusst, wo ich wohnte?
    Und war er vielleicht noch in der Nähe?
    Leicht panisch lehnte ich mich über die Balkonbrüstung und spähte nach beiden Seiten. Nichts außer einer ruhigen verlassenen Straße und ein paar traurigen alten Fahrrädern, die an einer Laterne in der Nähe angekettet auf ihre Besitzer warteten. Oder auf ihre Verschrottung. Ich hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen, Angst schnürte mir die Kehle zu. Wenn dieser Fremde heute Nacht tatsächlich auf meinem Balkon gewesen sein sollte, warum hatte er mir dann diese Art Botschaft hinterlassen? Was sollte sie mir sagen? Warum hatte er nicht wie jeder halbwegs anständige Mann die Klingel benutzt und sich ordentlich vorgestellt? Fragen über Fragen prasselten im Sekundentakt auf mich ein, bis mir ein leichter Windhauch um die Nase strich und unter meinen Pulli fasste, sodass mich die Kälte erneut in die Realität zurückholte.
    Wem war ich da bloß im Park begegnet und – noch viel interessanter – was wollte er von mir?

4
    Kaum in meine Wohnung zurückgekehrt, merkte ich, dass sich meine sonst schon nicht sehr warmen Füße – typisches Frauenleiden – mittlerweile in wahre Eisblöcke verwandelt hatten. Vor lauter Panik und Verwirrung war ich mal glatt barfuß in die Nacht getreten.
    Super.
    Ich tapste in die Küche, wo ich mir
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