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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Autoren: Emily Byron
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Verrückte Träume? Ein weiterer Grund für Hänseleien. Wenigstens der Babyspeck hatte sich dank zahlreicher Joggingrunden im Laufe der Jahre verwachsen und eine einigermaßen normale Figur freigegeben. Die Albträume allerdings waren mir geblieben. Seit jener Nacht hatte ich diese, nennen wir sie in Ermangelung einer passenden Bezeichnung mal Minivisionen, denn das Schauspiel setzte immer dann ein, sobald ich die Augen schloss.
    Egal wann, egal wo.
    Zu jeder Tages- und Nachtzeit.
    Früher hatte mich das beinahe in den Wahnsinn getrieben, doch über die Jahre hinweg hatte ich gelernt, es zu ignorieren. Was war mir denn sonst auch anderes übrig geblieben?
    Die Kopfschmerzen lenkten heute allerdings vortrefflich von meinem persönlichen Heimkino ab. Zwar auf qualvolle Weise, aber egal. Hauptsache war, nur nicht mehr zu denken. Nicht mehr zu denken an einen großen, schlanken, dunklen Fremden, wie er lässig und lasziv an meinem Lieblingsbaum lehnte und den Duft des Regens inhalierte, nicht mehr zu denken an sein Lächeln, das meine Knie in Wackelpudding verwandelt hatte, nicht mehr zu denken an seine Ausstrahlung, die so verheißungsvoll und gleichzeitig so gefährlich mysteriös in meiner Magengrube vibrierte …

3
    Ein leichtes Klicken ließ mich aufschrecken.
    Ich brauchte zwei Sekunden, bis mir klar wurde, dass ich tatsächlich auf der Couch eingeschlafen war, die Eispackung noch immer auf meiner Stirn drapiert. Mittlerweile war es einigermaßen warm, also hatte ich schon eine ganze Weile geschlummert, tief und traumlos. Draußen war es immer noch dunkel. Wie spät mochte es jetzt bloß sein? Doch mir blieb keine Zeit, mein Handy nach der Uhrzeit zu checken, abermals vernahm ich den Grund meines Erwachens. Ein leichtes Klicken. Und noch eins.
    Das kam von links, von meinem Balkonfenster. Mein Puls beschleunigte innerhalb einer Sekunde von null auf hundert, und ich benötigte all meine Selbstbeherrschung, nicht auf der Stelle hochzuschrecken. Da meine Couch mit dem Rücken zum Fenster stand, konnte das, was auch immer das Klicken an der Scheibe verursachte, mich nicht auf den ersten Blick wahrnehmen, was mir einen nicht unwesentlichen Vorteil verschaffte. Ich dankte in diesem Moment Gott im Himmel dafür, dass ich dieses eine Mal auf meine Mutter gehört hatte, die der Meinung gewesen war, es würde dem Wohnzimmer mehr Tiefe verleihen, wenn man das Sofa parallel zum Balkon zu stellte. Mir persönlich hätte es quer ja besser gefallen, aber Sie hätten mal den glücklichen Ausdruck auf Mamas Gesicht sehen sollen, als die Couch angeliefert und zurechtgerückt wurde. Sie war ein Einzugsgeschenk von ihr gewesen. Graues Alcantaraleder.
    Das hatte Mama sich eine Stange kosten lassen.
    Langsam, ganz langsam rollte ich mich auf die Seite und schob meinen Kopf millimeterweise über das eine Ende des Sofas hinaus. Nur nicht zu schnell – ich wusste ja nicht, was ich auf meinem Balkon vorfinden würde. Einer der Momente, in dem ich mich wegen meiner Vorliebe für gruselige Bücher und Horrorschinken innerlich verfluchte. Vielleicht war es ein glutäugiges Monster mit Fangzähnen und vier Armen, das nachts hungrig auf der Suche nach wehrlosen Jungfrauen durch die Straßen schlich und nun auf seinen Appetizer lauerte? Nein, wohl eher nicht, ich war schließlich keine Jungfrau mehr. Wobei ich es technisch gesehen schon wieder hätte geworden sein können, so lange wie mein letztes Mal her war, aber das war eine andere Geschichte. Dann war es vielleicht schon eher ein verrückter Serienkiller mit einer bluttriefenden Axt. Aber klopften Serienkiller ans Fenster? Eine Achterbahn war die reinste Seniorenkaffeefahrt gegen den Gedankenstrudel in meinem Geisteskino, als ich vorsichtig um das Kopfende meines Sofas spähte. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, und kalter Schweiß begann bereits aus meinen schreckgeweiteten Poren zu tropfen. Für meine Hasenfüßigkeit geradezu todesmutig lugte ich schließlich ums Eck und sah – nichts. Niemanden. Ein Blick nach rechts und einer nach links, noch mal zurück. Nein, definitiv nichts.
    Moment! Da lag etwas auf dem Balkonboden. Direkt neben meiner kleinen Zuckerhutfichte, die seit drei Jahren schon tapfer als Weihnachtsbaumersatz herhalten musste. Wozu ein echtes Bäumchen fällen, wenn man eins im Töpfchen weiterleben lassen konnte? Noch mal einen schnellen Sicherheitscheck, dann wagte ich mich allmählich von der Couch und glitt vorsichtig auf den Boden, sodass ich auf allen vieren
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