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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
Autoren: José Carreras
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Thema. Aber doch, es fällt mir schwer zu weinen.«

    »Sie haben gesagt, dass Fußball Sie begeistert. Ist der Fußball das Spielzeug der Erwachsenen?«

    »So kann man das sehen. Jetzt, wo Sie es sagen, halte ich das für möglich. Er ist ein Spielzeug, das mit uns wächst und von dem wir uns im Verlauf der Jahre nicht lösen. An diesem Sport gefällt mir das Strategische ebenso sehr wie das Taktische … Diejenigen von uns, die Barcelona im Herzen tragen, dürfte der Fußball noch auf tiefere Weise berühren. Wir sind nicht einfach Anhänger des Vereins Barça, sondern hier zählen alle Empfindungen, die damit zu tun haben, mit unserer Identität und unseren Wurzeln. Möglicherweise sagen Anhänger des Sevilla FC, der Alcorcón AD, von Real Madrid oder der Mérida UD, dass es ihnen ebenso geht. Aber ich meine, dass es bei Barça mehr ist. Ein bekannter Autor hat diesen Verein einmal die ›Sparkasse der Gefühle‹ von uns Katalanen genannt. «

    »Was kommt Ihnen beim Rückblick auf Ihr Leben in den Sinn?«

    »Ich finde, dass ich außerordentliches Glück hatte. Es wäre äußerst undankbar und ungerecht von mir, wenn ich mich über mein Leben beklagen wollte. Es war mir vergönnt, eine Fülle von Erfahrungen zu machen, die mich menschlich bereichert haben. Ich kann dem Leben gar nicht dankbar genug sein für alles, was es mir gegeben hat und noch gibt.«

    »Wie möchten Sie, dass man sich an Sie erinnert?«

    »Als einen Menschen mit einer einwandfreien moralischen Haltung. Als jemanden, dem Fehler unterlaufen sind, wie jedem von uns, der sich aber bei wichtigen Entscheidungen immer bemüht hat, mit Augenmaß und Aufrichtigkeit zu handeln.«

    »Kennen Sie irgendwelche Gedichte auswendig?«

    »›Para vivir no quiero / islas, palacios, torres./Qué alegría más alta: / vivir en los pronombres!//Quítate ya los trajes, / las señas, los retratos; / yo no te quiero así,/disfrazada de otra, / hija siempre de algo.‹ (Zum Leben verlange ich keine / Inseln, Paläste, Türme. / Die allergrößte Freude: / in Pronomen leben! // Fort mit den Kleidern, / den Kennzeichen, den Porträts; / so will ich dich nicht, / verkleidet als eine andere, / stets die Tochter von irgendwas.) Es ist aus einem Gedicht der Sammlung La voz a tí debida (Die Stimme, die ich dir verdanke) von Pedro Salinas, ich habe diese Verse als junger Mensch auswendig gelernt, und sie gefallen mir sehr.«

    »Was ist Ihre Richtschnur im Leben?«

    »Man soll versuchen, mit einer möglichst positiven Einstellung möglichst intensiv zu leben. Selbstverständlich kommt es auf unserem Lebensweg zu schwierigen Situationen, die für die einen belastender sind als für die anderen, aber der Versuch lohnt sich, aus jedem Augenblick etwas zu machen.«

    »Wenn Sie noch einmal zur Welt kämen, was wären Sie dann gern?«

    »Darauf habe ich zwei Antworten. Ich wäre gern Wissenschaftler, Arzt, mit der Fähigkeit, der Gabe und dem Glück, das definitive Heilmittel für Leukämie und jede Form von Krebs zu entdecken. Noch lieber aber würde ich mein jetziges Leben erneut leben können; das gäbe mir die Möglichkeit, das eine oder andere besser zu machen …«

    »Daraus schließe ich, dass es Sie begeistert, José Carreras zu sein.«

    »Ganz und gar nicht. Was mich begeistert, ist die Art, wie mich das Leben behandelt hat.«

    Als er auf die Calle Galileo hinaustritt, hellen sich seine Züge auf, und sein Gesichtsausdruck entspannt sich. Zweifellos ist diese städtische Umgebung die Nabelschnur zwischen seinen Ursprüngen und der Welt, die er seither kennengelernt hat. Er will ebenso wenig darauf verzichten, der Junge zu sein, der in der Zeit nach dem Bürgerkrieg in einer Vorstadt von Barcelona aufgewachsen ist und nach einem Ball getreten hat, wie darauf, in Geschäften erkannt zu werden, in denen man Kunden nach wie vor mit Namen anspricht, auch wenn hier die Einwanderung aus fernen Ländern inzwischen dafür sorgt, dass sich die Auslagen, die Waren und die Art zu sprechen verändern.
    In Sants herrscht nach wie vor die frühere Atmosphäre, obwohl immer deutlicher wird, dass man hier in einem Schmelztiegel lebt, der sogar auf die traditionellsten Stadtbezirke übergreift. Auf jeden Fall ist das Grau verschwunden, das gegen Ende der Fünfzigerjahre die ganze Stadt eingefärbt hat. Die Menschen haben wieder Hoffnung, auch wenn die Lage schwierig ist, und in ihren Augen liegt nicht mehr der stumpfe und erschöpfte Ausdruck von früher. Die Luft riecht nicht
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