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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
Autoren: José Carreras
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dieser Augenblick des Eins-Seins mit meiner unmittelbaren Umgebung. Darüber hinaus gibt es weitere einzelne Augenblicke von starker Intensität, nachdrücklichem spirituellen Erleben oder wie auch immer man es nennen will. Doch das sind punktuelle Ereignisse. Glück ist auf das innere Selbst bezogen, eine feste Größe, die nichts mit vorübergehenden starken Empfindungen zu tun hat.«

    »Welche kleinen Freuden schätzen Sie?«

    »Das Frühstück mit meinen Freunden in Sants jeden ersten Samstag im Monat. Die Möglichkeit, Musik zu hören, wann immer mir danach ist, ein Buch zu lesen, wenn ich Lust dazu habe, mir die Spiele des FC Barcelona anzusehen, sofern mein Terminkalender das zulässt, eine Ausstellung zu besuchen, wenn ich in Paris oder New York auftrete. Das sind die kleinen Freuden, die mir Erfüllung verschaffen. Und warum soll ich es nicht sagen: die Möglichkeit, mir ein paar Hemden und die eine oder andere Krawatte zu kaufen. All diese kleinen Dinge bereiten mir Freude. Ein großes Vergnügen bedeutet es für mich, morgens in aller Ruhe zu frühstücken und dabei die Tagespresse zu lesen. Gewöhnlich frühstücke ich leicht, verschiedene Sorten Obst, ein wenig Quark, eine Scheibe Toast, ein Glas Orangensaft und eine Tasse Kaffee. Aber dabei muss ich unbedingt eine Zeitung in der Hand haben.«

    »Nennen Sie mir eine Tätigkeit, der Sie insgeheim nachgehen.«

    »Von Zeit zu Zeit verspüre ich den Drang zu schreiben. Wenn ich in einem Hotel bin, kommt es vor, dass ich bis drei oder vier Uhr morgens schreibe. Ich notiere mir Eindrücke über etwas, das ich gerade gelesen habe, oder einen Gedanken, der mir gekommen ist. Nehmen wir an, ein Gedicht hat mich begeistert. In dem Fall versuche ich, meine eigene Fassung davon anzufertigen. Dann, um vier Uhr nachts, denke ich: gar nicht schlecht. Wenn ich aber am nächsten Morgen aufstehe, zerreiße ich es gleich wieder, weil ich es unsagbar kitschig finde. Doch während dieser zwei oder drei Stunden bereichert mich das Gefühl, dass ich die Möglichkeit hatte, mich zu äußern. Ich habe das große Glück, mich mit meiner Arbeit auf der Bühne ausdrücken zu können, aber Schreiben ist etwas, das … für den, der es beherrscht, vermutlich tief bewegend und äußerst befriedigend ist.«

    »Was ist für Sie das Paradies? Wo würden Sie gern immer leben?«

    »Ich weiß nicht, was das Paradies ist. Wenn uns Hochglanzmagazine ins Paradies versetzen wollen, zeigen sie uns einen Strand in der Karibik oder die marokkanische Wüste. Diese Bilder angeblicher Paradiese bedeuten mir nicht viel. Um zu mir selbst zu finden, sind mir die Städte lieber. Ich mag den Asphalt. Wenn ich mich für ein Wochenende davonmache, kann man mich in Paris, New York oder London finden. Oder in Mailand, wohin ich immer wieder gern reise. Eigentlich fasziniert mich ganz Italien. Sofern ich mich für eine bestimmte Landschaft entscheiden müsste, wären das die Pyrenäen, einerseits wegen der Legenden, die sich um sie ranken, und andererseits, weil sie zu uns gehören, zu Katalonien. Auch die Costa Brava, aus ähnlichen Gründen.«

    »Was bedeutet für Sie Erfolg?«

    »Die Anerkennung, dass man in seinem Beruf eine wichtige Position errungen hat.«

    »Wann hatten Sie den Eindruck, auf der Bühne endlich erfolgreich gewesen zu sein?«

    »Am besten macht das die Erinnerung an mein Debüt in der Mailänder Scala klar. Als ich an diesem Tag merkte, wie der Auftritt verlief und auf welche Weise das Publikum reagierte, habe ich zu mir selbst gesagt: ›Ich habe in der Scala gesungen, und es hätte nicht besser gehen können; ab jetzt spiele ich in einer anderen Liga.‹ Später merkt man dann, dass man nicht schlafen kann, weil der begeisterte Beifall des Publikums den Adrenalinspiegel in die Höhe getrieben hat. Dann hat man Zeit nachzudenken und entdeckt, dass Dankbarkeit das Wichtigste ist, was man empfindet.«

    »Gefällt es Ihnen, berühmt zu sein, oder ist Ihnen das unangenehm?«

    »Der frühere italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti hat gesag: ›Berühmt zu sein ist ein Problem für Menschen, die es nicht sind.‹ Ehrlich gesagt ist uns Opernsängern weder das Maß an Beliebtheit besonders unangenehm noch die Art von Menschen, an die wir uns wenden. Ganz allgemein gesagt, habe ich nie eine Situation erlebt, die mir lästig war. Da ich kein Spitzensportler und auch kein Hollywoodstar oder Rocksänger bin, bin ich mit meinem Anteil an Ruhm ziemlich gut
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