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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
Autoren: José Carreras
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Barça-Trainers Pep Guardiola im Trikot des Vereins. Auch hängt dort ein gerahmtes Foto aus dem Jahre 1934, auf dem man den Gründer des Lokals beim Fußballspiel sieht. Es war das Jahr, in dem sein Verein Unión Deportiva aus dem Stadtteil Sants den Katalonien-Pokal gewann. Zwei Jahre zuvor hatte er mit Fußball-Prämien das Lokal eröffnet. Von den beiden Fotos daneben zeigt eines José Carreras im Jahre 1988 – er hat es mit seinem Autogramm versehen – und das andere die Mitglieder dieser »Samstagsgesellschaft« in den Anfangsjahren der Stammtischrunde. Eine Schiefertafel preist das beliebteste Getränk des Hauses an: »Cola mit Rum, 4 Euro.«
    Diesmal sind elf zusammengekommen. Eingestellt haben sich Josep Riba und Miquel Sanromà, seine beiden Jugendfreunde, außerdem die ihm herzlich zugetanen Freunde Albert Pérez, Jaume Batista, Ramon Roca, Jordi Sans, Joan Pujol, Raül Fortunyo, Joan Armengol und Albert Cabedo. Josep Riba ist der Sohn von Magda Prunera, von der er seinen ersten Musikunterricht bekam. Riba erinnert daran, dass sich der Fußball, mit dem sie spielten, immer bei Carreras befand, damit das Spiel nicht beginnen konnte, solange er nicht auf der Straße erschienen war. Häufig hörten ihn die Jungen singen, während sie dort warteten, woraufhin sie dann riefen: »Komm schon runter, Rigoletto, wir wollen spielen!« Rigoletto nannten sie ihn in der Schule, beim Fußball aber Evaristo. Er hatte viel Ballgefühl und war, wenn alles andere versagte, durchaus imstande, nach dem Ball zu hechten wie jener brasilianische Spieler an dem ruhmreichen Abend, an dem Barça im Europacup das Halbfinale gegen Real Madrid gewann.

    Während sich die Männer über Radsport unterhalten, trägt Carme Bosquet, die Enkelin des früheren Inhabers, katalanische Gerichte auf, deren bloßer Anblick den Betrachter sättigt: geschmorter Kabeljau mit grünen Bohnen, kleine Tintenfische mit Zwiebeln, Kutteln mit Paprikawurst, Hackfleischbällchen mit Erbsen … Ihr Vater, mit dem sie sich beim Bedienen abwechselt, hat dieselbe Schule besucht wie die Mitglieder der munteren Gruppe um Carreras. Während die Männer den Speisen und dem Wein kräftig zusprechen, wird die Unterhaltung immer lebhafter. Kindheitserinnerungen und hochaktuelle Themen gehen bunt durcheinander. Sie machen sich darüber lustig, dass sie zum Basketballspielen eigentlich viel zu klein waren, worauf jemand sagt, sogar die Mitglieder der ersten Mannschaft des vielfachen Pokalsiegers Barça seien so klein, dass sie im Flugzeug nicht einmal ihr Handgepäck in den Fächern über den Sitzen verstauen könnten. Jemandem ist aufgefallen, dass sich die samstäglichen Zusammenkünfte der Gruppe zum zwanzigsten Mal jähren und man das feiern müsse. An Gesprächsstoff mangelt es nie. Wohl ist Carreras in dieser Stammtischrunde einer wie jeder andere, dennoch gilt er auch als eine Art moralische Autorität bei bestimmten Themen, bei denen ihm die anderen gern zuhören. Er ist wunschlos glücklich, während er die Soße mit Brot auftunkt, mit den anderen über Politiker oder Fußballspieler diskutiert oder sich an ihr gemeinsames Kicken auf der Straße erinnert. Diese Rückkehr zu den Anfängen verschafft ihm Ablenkung, ruft Emotionen in ihm wach, erfüllt ihn mit Leben.
    Wenn der Zeiger der Uhr über der Theke die Zwölf erreicht, brechen die Ersten auf. Einer leert noch schnell sein Whiskyglas, bevor er auf die Straße hinaustritt, als sei es ein Zeichen schlechter Kinderstube, auch nur einen Tropfen übrig zu lassen. Carreras und ich bleiben noch ein Weilchen zurück, um in Ruhe über Dinge zu sprechen, die ihm am Herzen liegen – besondere Augenblicke seines Lebens, das, was ihm in der vertrauten Atmosphäre des Bosquet wirklich wichtig ist. Das Lokal, in dem jetzt wieder Stille herrscht, scheint genau die richtige Umgebung für ein persönliches Gespräch zu sein. Carreras willigt ein, über sich selbst zu sprechen, wobei ihm bewusst ist, dass es kein schwierigeres Thema gibt.

    »Mit welchen Begriffen würden Sie sich als Mensch definieren? Wie würden Sie sich beschreiben?«

    »Ich handle viel eher intuitiv als aus der Reflexion heraus. Ich halte mich für ziemlich dynamisch, kann aber je nachdem auch recht träge sein. Ich sehe mich als jemanden, der manchmal stark und manchmal schwach ist. Damit will ich sagen, dass ich schlechte Nachrichten gut ›wegstecken‹ kann, doch fällt es mir schwer, Entscheidungen zu fällen, wenn sich diese auch auf mir
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