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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr
Autoren: Karen Young
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emotionalen Reaktion auf die Schusswunde erholt, 4A ist nämlich ein Herzinfarkt.”
    “Sind Sie da ganz sicher?”
    “So sicher, wie man nur sein kann mit dreißig Jahren Erfahrung”, gab Jean Sharpe zur Antwort und rümpfte die Nase.
    “Dann sehen Sie zu, dass der Blutgerinnsel-Zertrümmerer einsatzbereit ist”, befahl Kate knapp, machte auf dem Absatz kehrt und ging in Richtung Unfallchirurgie.
    “Ich brauche von Ihnen keine Belehrung, wie ich meine Arbeit zu verrichten habe, Dr. Madison.”
    Kate vermied es wohlweislich, sich in eine Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen, und entfernte sich kopfschüttelnd. Jean Sharpe hatte mit ihrer scharfen Beobachtungsgabe ihren angeschlagenen seelischen Zustand in dieser Nacht sehr wohl mitbekommen, und sie würde nicht zögern, sie bis zum Äußersten zu reizen. Kate wusste, dass es nach Ansicht der Schwester höchst unprofessionell und absolut unentschuldbar gewesen war, als sie ihre Trauer beim Tod des kleinen Jungen so offen gezeigt hatte. Sie wollte sich lieber nicht vorstellen, was diese Frau wohl gedacht hätte, wenn sie vor ein paar Minuten Augenzeuge ihrer unerklärlichen Panikattacke in Gegenwart der kleinen Lindy geworden wäre.
    In Kabine 4A zog Kate den Vorhang beiseite. Es würde sicher noch Stunden dauern, bevor sie Dienstschluss hatte und versuchen konnte, diese infernalische Schicht hinter sich zu lassen. Anstatt sie zu beruhigen, hatte das Telefongespräch die Sorge um den Zustand ihrer Mutter noch verstärkt. Mit Sicherheit stimmte da etwas nicht. Sie würde wohl nach Louisiana reisen müssen. Und zwar bald.
    Zerschlagen rieb sie sich das Gesicht; sie war sich nicht ganz im Klaren darüber, was sie eigentlich von Victoria wollte, außer ihre Stimme zu hören und sicher zu sein, dass mit ihr alles in Ordnung war. Stattdessen fühlte sie sich nun bedrückter und unruhiger denn je. Und Emotionen dieser Art waren in einer Notaufnahme fehl am Platze.
    Ein Blick auf den Patienten genügte, und Kate spürte, wie ihr Entsetzen schlagartig zurückkehrte, wie der Stress, der sich über Stunden aufgestaut hatte, nun mit voller Wucht auf ihre Psyche durchschlug. Es war ein Mann mittleren Alters, gedrungen, mit einem ausgeprägten und für Herzpatienten typischen Bauch. Bereits an den Monitor angeschlossen, saß er kerzengerade und atmete schwer.
    “Doc, ich habe ‘nen Herzinfarkt”, sagte er mit vor Schmerz grauem Gesicht.
    “Wir haben ihm Morphium gegeben”, meldete Kelly. “Sein EKG zeigt Unregelmäßigkeiten an, aber einen Herzinfarkt bestätigt es nicht.”
    “Ich hab aber einen, verdammt noch Mal! Das sind solche Schmerzen, das kann nur ein Herzinfarkt sein. Ich halte das nicht mehr lange aus!”
    “Haben wir seine Blutwerte?” Kate setzte behutsam das Stethoskop an.
    “Ja, aber es sind noch keine Enzyme im Blut”, erwiderte Kelly.
    “Ach, zum Teufel mit Enzymen und Blut!”, stöhnte der Patient. “Ich sterbe hier noch! Nun tun Sie doch endlich was!”
    “Immer mit der Ruhe, Mr. …” Kate schaute auf den Plastikstreifen am Handgelenk des Mannes. “Mr. Carmello. Wenn Sie einen Herzinfarkt haben, dann ist das Schlimmste, was sie tun können, wenn Sie jetzt in Panik geraten. Wir brauchen ein …”
    “Nehmen Sie doch diesen Gerinnsellöser, damit Schluss ist mit diesen Schmerzen”, jammerte Carmello. “Ich habe davon gelesen. Wieso benutzen Sie das Ding denn nicht? Mein Gott, sind das Schmerzen!”
    Kate schaute Kelly an und nickte. “Geben Sie ihm noch drei Einheiten Morphium, und ich werde mal hören …” Ihre Stimme verlor sich, als sie konzentriert Carmellos rasenden Herzschlag abhörte.
    “Sein Blutdruck fällt ab, Doktor.”
    Kate nickte. “Weiß die Kardiologie Bescheid?”
    Jean Sharpe schaute kühl und missbilligend drein. “Ich habe Dr. Lincoln ausrufen lassen, aber er hat sich noch nicht gemeldet.”
    Die Sharpe kann es sich leisten, kühl zu sein, dachte Kate. Sie blickte erst auf den Monitor, dann auf ihr Team, das sich um Carmello gruppiert hatte. Die Verantwortung für den Patienten ruhte allein auf ihren Schultern.
    Erneut wallte Unruhe in ihr auf. Sie war sich ganz und gar nicht sicher, dass Carmello ein Fall für die Kardiologie war. Viele Männer befürchteten schon einen Herzinfarkt, wenn sie nur Probleme mit der Verdauung hatten. Wenn es so war, dann wäre es fatal, Streptokinase zu geben. Wenn es sich allerdings in der Tat um einen Infarkt der Herzkranzgefäße handelte, dann würden die vom beschädigten
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