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Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Titel: Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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höflich und hilfsbereit, habe mal eine Flasche Bier oder eine Schale Pommes frites spendiert, ohne eine Gegenleistung einzufordern. Er stellte sogar seinen Pkw für Spritztouren zur Verfügung oder fuhr selbst mit. Es findet sich niemand, der etwas Negatives über den Mann berichtet.

    Glaubt man den übereinstimmenden Aussagen der jugendlichen Zeugen, soll Joachim Grauert ein eher devoter und genügsamer Mann ohne Macken gewesen sein, jemand, der nicht aneckt, der aber auch kaum wahrgenommen wird. Ein Opfertyp?
    Die Ermittler fragen die Jugendlichen vom König-Heinrich-Platz insbesondere nach Personen, die Joachim Grauert näher gekannt haben. Und dabei fällt immer derselbe Name: Thomas Basler. Der 16-Jährige soll noch am Abend des Todestages mit dem Opfer zusammen gewesen sein. Allerdings habe Joachim Grauert den König-Heinrich-Platz gegen 20.30 Uhr verlassen – allein.
    Bevor Thomas Basler vernommen wird, machen sich die Ermittler ein Bild von dem jungen Mann: Er ist das dritte und letzte Kind einer Beamtenfamilie mit tadellosem Ruf. Thomas besuchte vier Jahre lang einen Kindergarten, kam danach in die Grundschule, vier Jahre später wurde er auf die Realschule gegeben. Die achte Klasse wiederholte er. Ein Jahr später musste Thomas die Schule zwangsweise verlassen, nachdem er insgesamt 58 Tage unentschuldigt gefehlt hatte. Eine darauf folgende Lehre als Kfz-Mechaniker brach er ab. Von seinem ehemaligen Lehrherrn erfährt die Kripo, Thomas habe sich in den letzten Monaten zu seinem Nachteil verändert, er sei des Öfteren nicht zur Arbeit erschienen, habe sich uneinsichtig und aufsässig gezeigt, auch sei er in Verdacht geraten, Geld unterschlagen zu haben. Und weil er zuletzt drei Wochen unentschuldigt gefehlt habe, sei ihm schließlich fristlos gekündigt worden.

    Zwei Ermittler holen den hochgewachsenen, auffallend hageren und langhaarigen jungen Mann zu Hause ab und bringen ihn ins Präsidium. Er bestreitet nicht, Joachim Grauert gekannt zu haben. Auf beharrliches Nachfragen räumt Thomas Basler später ein, von dem Getöteten gelegentlich kleinere Geldbeträge erhalten zu haben, mal zehn D-Mark, mal 20 D-Mark. Die Aussage, das Geld wurde für sexuelle Kontakte gezahlt, muss ihm förmlich abgerungen werden. Thomas Basler weist in diesem Zusammenhang ungefragt und energisch darauf hin, er, Joachim Grauert, habe am Hauptbahnhof regelmäßig mit Strichjungen verkehrt. Wesentlich gelassener gibt sich der jugendliche Zeuge, als ihm vorgehalten wird, er sei derjenige gewesen, der Joachim Grauert letztmals lebend gesehen habe. Ja, er habe den Mann an dem besagten Abend noch getroffen, räumt er bereitwillig ein, aber nein, er sei Joachim Grauert nicht gefolgt, als er gegen 20.30 Uhr den König-Heinrich-Platz verließ. Dies könnten die damals Anwesenden gewiss bezeugen.
    Alle in Frage kommenden Jugendlichen werden namentlich ermittelt, überprüft und nacheinander befragt. Die Aussagen widersprechen sich mitunter in wiederkehrenden Aspekten, beispielsweise wenn es darum geht, zeitliche Zuordnungen für bestimmte Ereignisse vorzunehmen: Wann kam bzw. verließ wer mit wem zu welcher Zeit den König-Heinrich-Platz? Nur in einem Punkt herrscht Einigkeit: Joachim Grauert verließ den Bolzplatz gegen 20.30 Uhr. Niemand war bei ihm. Niemand folgte ihm später, insbesondere Thomas Basler nicht. Der soll sich weiter im Kreis der Jugendlichen aufgehalten haben.
    Die Widersprüche in den zeitlichen Abläufen lassen sich auch durch weitere Nachforschungen nicht ausräumen. Entweder resultieren die abweichenden Aussagen aus typischen Erinnerungsfehlern, oder aber jemand soll geschützt werden, überlegen die Fahnder – vielleicht Thomas Basler?
    Die Mordkommission erhofft sich weitere Aufklärung durch ein gemeinsames Gespräch mit allen Jugendlichen. Verplappert sich einer? Hält jemand dem Druck dieser Situation nicht stand? Lassen sich einzelne Jugendliche auf diese Weise besser erreichen und zur Vernunft bringen? Oder tut man ihnen unrecht?

    Alle Zeugen werden ins Präsidium bestellt und in einem großen Raum, der normalerweise für Dienstbesprechungen genutzt wird, versammelt. Der Chef der Mordkommission und zwei Mitarbeiter erklären den Jugendlichen, worum es geht und warum man hier zusammengekommen ist. Doch die Beamten ernten nur Gekicher, Gelächter, Unverständnis und Unmut.
    »Was wollt ihr von uns?«
    »Keiner von uns hat was damit zu tun!«
    »Lasst uns doch endlich in Ruhe!«
    »Wir sind
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