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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren
Autoren: Emily Bold
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wusste, was der Junge tat. Er versuchte, seinen Schmerz zu überdecken und zu vergessen, was er hatte mit ansehen müssen. Er musste ihm helfen, oder Matteo würde den Verstand verlieren, so, wie ihr Gefährte Cecil. Cecil war als Knappe mit Louis ins Abendland gekommen. Dann war er an Ruhr erkrankt, und man hatte ihm anschließend nach einem Missgeschick bei einem Übungskampf die linke Hand abnehmen müssen. Das war zu viel gewesen, und er hatte den Verstand verloren. Noch einen seiner Männer durfte Julien nicht dem Wahnsinn anheimfallen lassen.
    „Matteo“, flüsterte er und schloss den Jungen in seine Arme. „Matteo, mein Freund. Du hast tapfer gekämpft, und wir alle wissen um deinen Schmerz. Aber dein Bruder ist ein Märtyrer, und sein Tod wird nicht umsonst gewesen sein. Er hat in Gottes Namen gekämpft und sich dadurch das Himmelreich verdient. Sein Platz ist nicht länger an unserer Seite, sondern im Paradies.“
    Matteo weinte unkontrolliert, aber Julien schob ihn von sich.
    „Nun nimm dein Schwert und folge mir, denn unsere Zeit, Quirin zu folgen, ist noch fern.“
    Als Matteo sich den Rotz aus dem Gesicht wischte, kam auch in die restliche Truppe wieder Bewegung.
    „Diese Schweine haben uns in einen Hinterhalt gelockt“, rief Louis und trat einem der Gefangenen mit dem Stiefel in den Magen. Der keuchte und spuckte verächtlich auf Louis‘ Schuhe, was ihm gleich von drei weiteren Rittern Tritte einbrachte.
    Julien sah sich um. Flammen loderten über dem Stadtzentrum. Die runden Kuppeln der Tempel erhoben sich vor dem Inferno, und die Schreie der Sterbenden klangen im Prasseln der Feuer wie geisterhafte Musik.
    „Der Palast ist jetzt sicher“, stellte er fest. „Wir verriegeln den Haupteingang und bringen die Gefangenen hinein. Lamar und Louis, ihr übernehmt die Bewachung. Matteo wird bei euch bleiben, denn er ist nicht in der Verfassung, weiterzukämpfen. Außerdem schwöre ich bei Gott, seiner Mutter wenigstens einen Sohn lebend zurückzubringen.“
    Die Männer nickten.
    „Arjen, Gabriel und ich verschaffen uns einen Überblick. Wir kämpfen uns in die Stadt vor und sehen, was wir tun können. Der Rest von euch sichert die Stadttore. Jeder Mann, der sich ergibt, sowie jede Frau und jedes Kind, die ihr aufgreift, schafft ihr zu Lamar in den Palast.“
    Cruz nickte. „Und wer Widerstand leistet …?“
    Alle Augen ruhten auf Julien. Besonders Lamars Blick verlangte nach der richtigen Antwort. Julien zögerte. Er war hierhergekommen, um Gottes Willen zu erfüllen. Und so sehr er auch verabscheute, was die Soldaten des Papstes in dieser Nacht in Jerusalem taten, so war er doch dem gleichen Ruf gefolgt wie sie. Er nickte in Lamars Richtung: „Tötet alle, die sich euch widersetzen! Deus lo vult!“
     
    Jerusalem war eine Stadt der spitzen Türme, Bögen und Stufen. Es war Julien als einem Fremden beinahe unmöglich, sich in den verwinkelten Gassen zu orientieren. Überall lauerten Feinde. Auf den Dächern über ihnen, unter den Brücken, die nicht über einen Fluss, sondern über einen tiefer gelegenen Bereich der Stadt hinwegführten, und hinter all den orientalischen Bogenfenstern der fremdartigen Gebäude. Und trotz der Kühle der Nacht warfen die sandigen Mauern, die die Stadt durchzogen, die Hitze des vergangenen Tages zurück.
    Warm spürte Julien den Stein in seinem Rücken, als er sich in dessen Deckung weiter in das Herz Jerusalems hinein bewegte. Mit jedem Schritt, der sie näher an den brodelnden Kessel der Schlacht heranführte, wurden die Schreie lauter, und die Gewalt lag greifbar in der Luft. Sie stiegen über Hunderte von Leichen hinweg, und Julien war sich sicher, darunter nicht nur Heiden gesehen zu haben. Jeder, der das Pech hatte, sich innerhalb der hohen Stadtmauern zu befinden, war des Todes.
    Die Schatten seiner Freunde hinter sich gaben ihm Kraft, und er berührte kurz das goldene Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trug. Der Rauch, der beißend zwischen den Häusern hing, brannte ihnen in den Augen. Der Kampf war nun nah, und Arjen nickte, um zu zeigen, dass er bereit war.
    „Ihr sucht Raimund von Toulouse oder einen der anderen Befehlshaber und erfragt weitere Anweisungen. Ich versuche, auf einen der Türme zu gelangen, um mir von oben einen Überblick zu verschaffen“, befahl Julien.
    Gabriel hob sein Schwert, und auf Juliens Zeichen hin stürmten die beiden den Kampfgeräuschen entgegen.
    Julien atmete nur einmal tief durch, ehe er sich nach einer
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