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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Häftlingsbaracken stehen Einfamilienhäuser, die Steinbrüche werden weiterbetrieben, nicht einmal ein kleines Hinweisschild erinnert an den Tod unzähliger Häftlinge dort, die brauchbaren Gebäude wie die Küche werden als Fabrikanlagen genutzt. Im Juni 1997 fordern die Präsidenten und nationalen Sprecher der erstmals in Flossenbürg versammelten Verbände der Überlebenden die Errichtung einer Gedenkstätte, die diesen Namen auch verdient. Und tatsächlich hat nun das zuständige Kultusministerium in München einen Ausbau und eine Erweiterung zu einer eigenständigen Gedenkstätte, vor allem die Errichtung eines Forschungs- und Dokumentationszentrums zugesichert.
    In das zu Flossenbürg gehörende Außenlager Mülsen (Sachsen) kam Tadeusz Sobolewicz im April 1944 , in der Zeit der größten Arbeitshetze. Auschwitz, das Vernichtungslager, hatte er überlebt, das gerne zum »Arbeitslager« verniedlichte Flossenbürg und seine »Nebenstellen« erwiesen sich als keineswegs geringere Bedrohung für einen KZ -Gefangenen. Hier wurde in der Regel nicht »willkürlich« oder »sinnlos« gemordet, weil die Arbeitskraft der Sklaven optimal ausgenutzt werden sollte. Aber optimal bedeutete nicht möglichst lange, sondern möglichst intensiv und am besten ohne Kosten. Denn anders als bei Sklaven mußte die SS für »Nachschub« nicht bezahlen, konnte praktisch unbegrenzt in vielen besetzten Ländern Europas Zwangsarbeiter für die deutsche Rüstung zusammentreiben und ohne jegliche Einschränkung für das Großdeutsche Reich arbeiten lassen – bis zum eingeplanten Tod oder zur Ermordung bei der geringsten »Störung« der Produktion. Diesen täglichen Überlebenskampf bei der Arbeit, die ununterbrochene Suche nach Eßbarem für den ausgezehrten Körper der unterernährten Schwerstarbeiter, die ständige Angst vor dem Nicht-mehr-arbeiten-Können, vor der dann unvermeidlichen Aussonderung zur »Sonderbehandlung« als Kranker führt uns der Autor ungeschminkt vor Augen. Aber ebenso eindringlich beschäftigt er sich mit der Frage, wie man überhaupt gerettet werden konnte. Noch heute kennt er die Namen aller, die ihm geholfen haben, aber er vergißt auch nicht die der Peiniger und Mörder. Und so steht er auch zur Selbstjustiz an sadistischen (Häftlings-)Kapos und Mördern der SS , als die Gefangenen auf den Todesmärschen erstmals eine Waffe in die Hand bekommen und dann die »Herrenmenschen« plötzlich jammernd und um ihr Leben bettelnd angekrochen kommen sehen. Er versteht einen Befreiten, der einen Scharführer zu Tode peinigt – »Er mußte quälen, um seine Rache zu stillen.« – und fragt sich dennoch entsetzt: »Auge um Auge, Zahn um Zahn?«
     
    Ein bisher singuläres und einmaliges Dokument ist die Schilderung eines der längsten und grausamsten Todesmärsche, aus dem Außenlager Colosseum in Regensburg bis fast in die Alpen, zur ominösen »Alpenfestung«, auf die noch viel zu viele der SS -Wachen und der deutschen Zivilbevölkerung 1945 setzten. Erst Anfang Mai endet im südlichen Oberbayern der Leidensweg des Tadeusz Sobolewicz.
    Wann ist er zurückgekehrt? Vierzig Jahre vergehen, bis er mit seinem Buch zum KZ -Gefangenen zurückkehrt. Aber sogar 50  Jahre dauert es, bis er erstmals überhaupt etwas aus Deutschland hört, denn so lange muß er auf eine Einladung in das vergessene Lager Flossenbürg warten. Und auch von dieser erfährt er nur auf dem Umweg über Kameraden aus dem KZ Auschwitz, weil nicht der bayerische Staat den Kontakt aufnimmt, sondern ein kleiner Verein, die »Arbeitsgemeinschaft ehemaliges Konzentrationslager Flossenbürg e.V.« Seit 1995 kommt er nun regelmäßig nach Bayern, speziell an den Ort des letzten Lagers in Regensburg, liest in Schulen und in öffentlichen Veranstaltungen, oder besser: Er erzählt. Inzwischen sieht er seine Aufgabe darin, mit jungen Deutschen ins Gespräch zu kommen, dabei treten seine Erlebnisse erst einmal in den Hintergrund, er wendet sich lieber direkt an seine Zuhörer und spricht von heute, von ihrem Leben. Unmerklich lenkt er zu seinem Thema über: Wie kann man Mensch bleiben in einer menschenverachtenden Gesellschaft, in den unmenschlichen Lagern der Nazis, gegenüber Menschen, die alles Menschliche vergessen lassen? Er belehrt nicht, er schildert nur die Situationen, denen sich ein damals sechzehnjähriger Gymnasiast plötzlich ausgesetzt sah – und er bittet um Unterstützung, um zu verhindern, daß Menschen in solche Zwangslagen gebracht
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