Augenschmaus - Das Zombiedorf (German Edition)
draußen die Arbeit auf sie wartete. Trotzdem stieg ich Stufe um Stufe nach oben. Ein süßlicher, mir nur zu bekannter Geruch empfing mich. Grüne Schmeißfliegen surrten durch die Luft. Moritz kam, kauend und das Schnäuzchen schleckend, aus einem der drei Zimmer gerannt. Von seinen Schnurrhaaren tropfte frisches Blut. Panik krallte sich in meinen Nacken. Flach atmend näherte ich mich der Tür. In die Stille der angespannten Ungewissheit mischte sich der Klingelton meines Handys. Hektisch drückte ich das Gespräch weg. Nur noch wenige Zentimeter. Beim Betreten des Raums sah ich einen Schleier aus Fliegen und Käfern vor mir. Scheinbar unkoordiniert flatterten sie über ihrer Beute. Bianca lag nackt auf dem Bett, ein Handtuch neben ihren Füßen auf dem Boden. Sie war tot. Statt ihrer Augen starrten mich zwei schwarzrote Höhlen an. Unter dem Kinn eine klaffende Wunde. Faustbreit, mehrere Zentimeter tief. Moritz sprang auf das Bett, die Insektenschar stob auseinander und genüsslich leckte er über das von ihm eben frisch angeknabberte Stück Fleisch. Mir wurde schlecht. Den Kopf gegen die Wand gelehnt übergab ich mich. Knie wie Gummi. Erneut aufstoßend robbte ich zurück in den Flur. Zitternd zog ich das Handy aus der Hosentasche. Eine neue Mailboxnachricht. „Frau Reifh! Doktor Ronker hier. Bitte rufen Sie mich sofort zurück. Wir haben ein Problem.“ EIN Problem?! Um Luft ringend betätige ich die Kurzwahltaste. Wenige Sekunden später meldete sich der Pathologe. „Gut, dass Sie anrufen. Tina Müller ist weg! ... Frau Reifh? Sind sie noch dran?“
„ Kommen Sie sofort zum Hof des Milchbauern. Es gibt eine zweite Leiche.“ Während ich zusammensackte und mein Telefon aus der Hand glitt, versuchte ich zu realisieren, was der Knochenknacker gerade sagte.
12:36 Uhr
„ Wo ist Tina Müller?“ Umringt von Einsatzwagen und hektisch umherrennenden Kollegen, saß ich vor der Eingangstür des Bauernhauses auf dem Boden. Meine Wange glühte. Hanke leistete „Erste Hilfe“ indem er mir eine gehörige Ohrfeige verpasste. Das Grinsen über diese „Heldentat“ stand ihm immer noch im Gesicht. Aber der Hieb half und holte mich aus der Ohnmacht. Nur das zählte. Doktor Ronker reichte mir einen Kühlakku. „Verschwunden. Gestern Abend gegen fünf Uhr lag sie noch im Leichenschrank, heute Morgen nach dem Meeting, als ich nach ihr schaute, gähnende Leere.“
„ Tot! Eine tote Frau! Wie soll das gehen?“ Mit der Zunge prüfte ich die Haltbarkeit meiner Bankenzähne. Hankes Schlag saß heftig.
„ Null Plan. Sie ist weg. In Luft aufgelöst.“
Sich immer noch das Mäulchen schleckend, trug eine junge Polizistin den Kater nach draußen.
„ Werden Sie ihn zur Beweismittelsicherung aufschneiden“, wollte ich von Ronker wissen. Er grinste, was ihn ungemein sympathisch wirken ließ.
„ Bis zur Tatortfreigabe kommt er ins Tierheim.“
Seine strahlend blauen Augen stupsten die seit Wochen paralysierten Schmetterlinge in meinem Bauch an. Irritierend und unpassend. Zum einen fand ich den Schnösel unsympathisch. Zum anderen saß ich auf der Treppe eines Bauernhauses, in dem sich eine verstümmelte Leiche befand. Hormone. An den bestimmten Tagen im Monat mutierte ich zum Hormonmonster. Witzige Walt Disney Filme rührten mich zu Tränen, während Final Destination Lachanfälle in mir auslöste. Gefühlsverwirrungen, die sich nur mit Schokoriegeln und Chips unter Kontrolle bringen ließen.
Den Kühlakku an die Stirn statt an die Wange haltend, stand ich auf. „Wissen Sie schon, den Todeszeitpunkt von Bianca?“
„ Nach der ersten Untersuchung schätze ich gestern so gegen neun Uhr abends.“
Hankes runde Schweinsaugen zogen sich zusammen. Er schien das Gleiche zu denken wie ich. „Um zehn kam es zu dem mysteriöse Zusammentreffen am Haus der Blorms. Wenn es kein wildes Tier war, welches in der Dunkelheit lauerte und zufälligerweise einen Augapfel bei sich trug, ist es möglich ...“
„ Dass das Sehorgan zu Bianca gehört“, beendete ich den Satz.
„ Richtig.“
Ronker nickte. „Sobald mir die Auswertung der DNA-Analyse vorliegt, melde ich mich.“
„ Sehr freundlich.“ Ungewohnt höflich gingen die beiden Männer miteinander um.
Genug geschwächelt, es galt, eine Verrückte zu stellen. Den Kühlakku gab ich Ronker zurück. „Wer steht noch auf der Verdächtigenliste?“
„ Niemand. Neben einer weißen Weste besitzen alle ein Alibi.“
„ Was ist mit dem Milchbauern? Wo hielt er sicher gestern
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