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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
Autoren: Ameneh Bahrami
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aus, dass er das auch tatsächlich tun würde –, machte mich fast verrückt.
    »Sie wissen aber doch, dass sich dieses Urteil nicht vollstrecken lässt, Frau Bahrami. Und wenn, wie würden Sie es denn tun wollen? Etwa auf die gleiche Weise wie er?«
    »Nein, ich würde ihm nur mit einer Pipette Säure in die Augen träufeln. Sein Gesicht und seine Hände blieben heil.«
    »Und was, wenn sein Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wird?«
    »Hat er sich denn zuvor gefragt, was mit meinem Gehirn passieren könnte? Oder mit meinen Zähnen, meinem Hals oder meiner Speiseröhre … Ohne Tabletten kann ich kaum fünf Minuten beschwerdefrei sprechen. Meine Haare, meine Brauen, meine Augen, mein Gesicht, meine Hände, meine Nieren, mein Magen – alles ist damals durch seine feige Attacke in Mitleidenschaft gezogen worden. Er soll Säuretropfen ins Auge bekommen. Und wenn er sein Augenlicht dadurch nicht ganz verliert – Glück für ihn.«
    »Und Sie sind sicher, dass Sie selbst das machen wollen? Eines muss Ihnen klar sein, wir haben kein Personal und auch keinen Henker, der so etwas vollstrecken könnte.«
    »Mir haben so viele Menschen aus meinem persönlichen Umfeld, aber auch Fremde auf der Straße angeboten, das Urteil zu vollstrecken. Aber diese Last kann ich keinem anderen zumuten – das muss ich schon selbst vollenden. Und ich würde es auch zu Ende bringen.«
    »Gut, ich habe keine weiteren Fragen mehr, Frau Bahrami«, sagte der Richter. »Das klingt überzeugend!«
    Kurze Zeit später wurde Madschid wieder in den Zeugenstand gerufen.
    »Du hast gehört, was Frau Bahrami will.«
    »Ja, das hab ich. Meinetwegen, ich habe nichts dagegen. Aber eine Bedingung.«
    »Eine Bedingung! Und die wäre?«
    »Wenn es so weit ist, soll man Ameneh im Nebenzimmer vorher beide Augen ausräumen, damit ich sicher sein kann, dass sie auch wirklich nichts mehr sieht.«
    In diesem Augenblick verloren etliche Zuhörer die Beherrschung. Meinem Onkel platzte der Kragen: »Was soll das heißen, ihre Augen ausräumen! Reicht dir nicht, was du ihr angetan hast, du …!«
    Es wurde so laut im Saal, dass der Richter die Leute zur Ordnung rief. »Ruhe im Gerichtssaal! Wir sind hier weder auf dem Viehmarkt, noch sitzen wir beim Hammelkopf-Schmaus!« An Madschid gewandt, fragte er: »Hast du denn immer noch nicht genug? Was willst du denn noch von ihr?«
    Mein Onkel hatte sich noch nicht wieder beruhigt: »Hast du den Hals noch nicht voll? Du hast ihr doch schon alles genommen: ihr Gesicht, ihre Schönheit, ihre Gesundheit!«
    Ich kochte innerlich vor Wut. Was – in Gottes Namen – musste ich mir noch alles von diesem primitiven Kerl antun lassen? Was? Auch der Richter war gereizt. Er forderte Madschid auf, sich zu setzen. Der allerdings bat noch mal um das Wort und fragte: »Warum hacken eigentlich alle auf mir herum? Ich bin doch nicht der Einzige, der so eine Tat begangen hat. Es gab doch noch jede Menge andere!«
    Der Richter entgegnete ruhig und gefasst: »Vergiss nicht, du hast wieder damit angefangen. Du hast schließlich Nachahmer auf den Plan gerufen. Das letzte Säureattentat wurde vor acht Jahren verübt, und der Täter wurde erhängt. Aber das hat dich nicht davon abgehalten, deine Tat zu begehen.«
    Madschid ließ noch immer nicht locker: »Warum übertreiben alle so?«
    Der Richter wurde laut: »Übertreiben? Wir übertreiben? Du, du hast übertrieben«, gab er zurück, »du bist zu weit gegangen! Schau, was du angerichtet hast. Da sitzt Ameneh Bahrami! Da! Schau genau hin.«
    Es war fast totenstill im Saal, nur vereinzelt war ein leises Schluchzen zu hören. Dann wurde mein Vater gefragt, ob er das Wort ergreifen wolle. Aber er unterdrückte nur mit Mühe seine Tränen und mochte nicht sprechen.
    Der Richter sagte, er habe in all den Jahren seiner Amtszeit keinen solchen Fall zu verhandeln gehabt. Am Ärgerlichsten sei für ihn dabei aber, dass der Täter keine Reue zeige und dass er sich offenbar keiner Schuld bewusst sei.
    Mir war in diesem Moment klar, dass ich die Vergeltung vollstrecken musste, sofern das Gericht mir dieses Urteil zusprach. Mein ganzes Leid, das ich durch diese heimtückische Attacke hatte erfahren müssen, und die ganzen Demütigungen, die ich danach zu ertragen hatte, würden in diesen paar Tropfen liegen, wenn ich sie ihm eines Tages verabreichen dürfte. Madschid dachte und hoffte, er würde hingerichtet werden. Und dann wäre er gewissermaßen durch meine Hand gestorben. Diesen Gefallen konnte ich ihm auf
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