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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters
Autoren: Charles Bukowski
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herum, und neben ihr kniete Final Benson, zwischen sich hatten sie einen Korb voll Rüben. Final hatte sich eine Bauersfrau angeschafft. »Ach du große Scheiße«, sagte ich. »Jetzt aber nichts wie weg hier!« Felicia und ich packten unsere Sachen und ergriffen die Flucht. In Los Angeles stiegen wir in einem Motel ab. »So, meine Süße«, sagte ich, »die Sorge wären wir los.« Wir besorgten uns eine Flasche Whisky und feierten. In der Nacht weckte mich eine laute Stimme. »Unseliger garstiger Quälgeist!« hörte ich Felicia sagen. »Ist keine Ruh vor dir in diesem Leben? Yevonna hast du mir genommen, und jetzt verfolgst du mich! Von dannen, Dämon! Hinweg mit dir! Entfleuch und laß mich auf immer!«
Ich setzte mich jäh auf. Ich folgte Felicias Blicken und glaubte etwas zu sehen — ein großes, rotglühendes Gesicht, aus dem zwei lange gelbe Zähne hervorstanden, und die Fratze schien uns anzugrinsen wie ein schweinischer Witz.
»Hinweg« sagte Felicia. »Im Namen des Allmächtigen Jah, im Namen Buddhas und im Namen von tausend Göttern verweise und verstoß ich dich aus unsern Seelen für alle Ewig keit!«
Ich machte das Licht an.
»Es ist nur der Whisky, Baby«, sagte ich. »Der Whisky und die Anstrengung von der langen Fahrt.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war halb zwei. Ich brauchte drin gend einen kräftigen Schluck. Ich stand auf und zog mich an.
»Wo gehst du hin, Hank?«
»Was zu saufen holen. Ich kanns grad noch schaffen, bevor der Laden zumacht. Die Fratze da hat mir wirklich einen Knacks gegeben.« Ich stand jetzt angezogen an der Tür. »Hank?«
»Was is, Sweetheart?«
»Ich muß dir was sagen.«
»O. K., aber machs kurz. Muß mich beeilen, bevor der Laden dicht macht.«
»Ich bin Yevonnas Schwester.«
»Ah ja.«
Ich beugte mich herunter und gab ihr einen Kuß. Dann machte ich, daß ich weg kam. Das Motel war im Osten, fast an der Vermount Avenue. Ecke Hollywood und Normandie war ein Laden, der noch offen hatte. Ich kaufte eine Flasche, stieg wieder in den Wagen und fuhr weiter nach Westen. Well, ein Final Benson läuft einem nicht jeden Tag über den Weg, dachte ich. Jedenfalls nicht mit der Potenz. Aber manchmal muß man diese wahnwitzigen Mösen einfach in den Wind schießen, damit man wieder zu sich kommt. Manchmal ist da ein Preis drauf, den einfach KEIN Mann bezahlen will. Ich fand ein Hotel unten in der Nähe von Vine Street und nahm mir ein Zimmer. Als ich auf den Fahrstuhl zuging, sah ich eine in der Halle sitzen. Ihr Rock war bis über den Hintern hochgerutscht. Ich versuchte mich zu beherrschen. Sie starrte die Flasche an, die aus meinem Tragbeutel herausragte. Ich starrte ihren Hintern an. Als sich die Fahrstuhltür schloß, war sie mit mir drin.
»Sie werden diese Flasche doch nicht ganz allein austrinken, Mister?«
»Nur wenn ich muß.«
»Sie müssen nicht.«
»Fein«, sagte ich.
Der Fahrstuhl blieb stehen. Die Tür ging auf. Sie drückte sich an mir vorbei und schlängelte sich hinaus auf den Flur. Es kribbelte mir in sämtlichen Gliedern.
»Zimmer 41«, sagte ich.
»O. K.«
»Übrigens, du interessierst dich nicht zufällig für Okkultis mus, Fliegende Untertassen, Geister, Hexen, Dämonen, Magische Spiegel und solche Sachen . . .?«
» WAS ? Kapier ich nicht. . .«
»Schon gut. Vergiß es, Baby.«
Sie ging vor mir her, ihre hohen Absätze klapperten, ihr Körper tanzte und schlenkerte im schummrigen Flurlicht. Ich konnte es kaum erwarten. Zimmer 41. Ich schloß auf, fand den Lichtschalter, schloß die Tür ab, fand zwei Gläser, spülte sie aus, schenkte den Whisky ein und gab ihr ein Glas. Sie setzte sich damit auf die Couch, schlug betont langsam ihre Beine übereinander und lächelte mich an.
Na also. Alles war wieder normal.
Alles würde gutgehen.
Für ein paar Stunden.
    Einer meiner besten Freunde — und einer der stärksten Dichter unserer Zeit — schleppt es gerade in London mit sich herum; schon die alten Griechen kannten es; es kann einen in jedem Alter erwischen, aber das beste Alter dafür scheinen die späten Vierziger zu sein: es äußert sich als innere Verhärtung und Stasis, als völliges Einfrieren der Lebensenergie, als totale innere Vereisung — ich nenne es das >Frozen Man Syndrom<.
Früher oder später erwischt es jeden einmal und deutet sich an in Redensarten wie: »Ich schaff es einfach nicht«, oder: »Da ist doch schon wieder alles zu spät«, oder: »Grüß mir den Broadway«. Aber gewöhnlich bleibt es ein vages, oberflächliches Unbehagen, und der
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