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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman
Autoren: dtv
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ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.«
    Das ist wieder von Bertolt Brecht. Aber aus einer Zeit, als ein Menschenleben in Deutschland tatsächlich wenig wert war. Das kann und darf heute nicht mehr so sein.
     
    Lotte Kinskofer, Februar 2011

Nachwort
    Von Birgit Poppert
    »Öffentliche Stellen haben unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von dem Aufenthalt eines Ausländers, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist […]«
    §   87   Abs. 2   AufenthaltsG
     
    In diesem Gesetzestext steckt bereits die Definition von Illegalen oder Illegalisierten: Es sind Ausländer, die sich ohne Genehmigung in Deutschland aufhalten. Aber warum kommen diese Menschen hierher?
    Es gibt viele Ursachen wie Krieg, Hunger, Mangel an Lebensperspektiven in den Herkunftsländern, landwirtschaftliche Probleme durch die Erderwärmung, Umweltkatastrophen, soziale Verelendung, Menschenrechtsverletzungen und Gewaltkonflikte. Aber auch die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften in den Zielländern gehört dazu.
    Wegen der fehlenden Möglichkeiten der legalen Einwanderung nutzen viele die Hilfe von Schleusern. Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit in Europa durch Menschenschmuggel ein höherer Jahresumsatz als im internationalen Drogenhandel erzielt wird.
    Für Europa hat das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut im Jahr 2009 zwischen 2,8 und sechs Millionen Menschen ohne regulären Aufenthalt geschätzt.
    Für Deutschland liegen die Angaben zwischen 500   000 und einer Million, allein für Berlin bei etwa 100   000.
     
    Und wie wird man illegal?
    Die meisten Migrant/innen haben ihren rechtlichen Status der Illegalität in der Regel weder angestrebt noch selbst gewählt, nur etwa 15 bis maximal 30   Prozent kommen illegal über die Grenze. Sie kommen mit den verschiedensten Visa und werden bewusst oder häufig durch unsere teils recht rigide Gesetzgebung illegal. Diejenigen, die ihr Touristenvisum bewusst auslaufen lassen, um hier zu arbeiten, sind in der Regel keine Kriminellen, sondern tun dies oft, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Wie Isabel und ihre Mutter oder wie z.   B.   Frau S. aus der Ukraine, Literaturwissenschaftlerin, 55   Jahre alt, die versuchte, das nötige Geld für eine Operation ihres Enkelsohns zu erarbeiten, damit dieser laufen kann. Sie brauchte fünf Jahre, weil sie immer und immer wieder nicht für ihre oft aufopferungsvolle Arbeit bezahlt wurde.
    Auch die unbeabsichtigte Illegalität ist möglich:
    Z. kommt aus Lateinamerika, hat dort ein Studium absolviert, macht in Deutschland das Studienkolleg, schließt hier das Studium ab, bekommt eine Promotionsstelle samt Visum. Drei Jahre lebt sie mit ihrem Freund zusammen, dann wird sie schwanger. Der Freund verzieht sofort mit unbekannter Adresse, die Promotionsstelle wird ihr gekündigt, sie kann die Wohnung nicht halten, das Studentenvisum gilt nicht mehr, da der Aufenthaltsgrund (Promotion)entfallen ist, und nun steht sie verzweifelt bei uns vor der Tür, ohne Geld, ohne Wohnung, illegal und schwanger.
    Auch Kinder trifft es:
    I. aus Ex-Jugoslawien ist neun Jahre alt, ihre Mutter lebt in einer Nervenheilanstalt, ihr Vater zieht mit seiner Freundin zusammen und schickt I. zu Verwandten, um die neue Beziehung nicht zu belasten. Die Verwandten schicken das Mädchen weiter. Sie findet keinen Platz für sich und flieht schließlich zu einer Tante in Deutschland, die sich sehr lieb um sie kümmert. Doch dann wird sie wegen illegalen Aufenthaltes von einem Hausbewohner der Polizei gemeldet, kann aber entkommen. Wir erfahren von ihrem Schicksal und können dafür sorgen, dass sie von einer Jugendeinrichtung in München übernommen wird. Voraussichtlich muss sie mit 18 wieder in ihre Heimat zurückkehren.
    Sehr häufig werden junge Mädchen nach einem Au-pair-Aufenthalt illegal, denn ein Au-pair-Visum läuft nach einem Jahr aus, wie das von Tatjana im vorliegenden Roman. Bleibt man, wird man illegal. Will man z.   B. heiraten, geht das nur im Heimatland, und von dort muss ein Visumsantrag auf Familienzusammenführung gestellt werden.
    Die meisten Visa gelten nur für
einen
Aufenthaltszweck, für jeden weiteren muss man einen neuen Antrag,
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