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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman
Autoren: dtv
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die Frau nur noch mehr. Sie packt Isabel an den Schultern, starrt sie hasserfüllt an. Und in diesem Moment wird Isabel klar: Vor ihr steht Krögers Mörderin.
    »Sie waren es.« Sie kann nicht verhindern, dass ihr dieser Satz herausrutscht.
    Die Frau nickt nur, ihr Grinsen wirkt aufgesetzt.
    »Er wollte mich verlassen. Wegen dir, du Schlampe.«
    Wieder schüttelt Isabel den Kopf.
    »Aber   …«
    »Halt’s Maul! Er hat’s mir selbst gesagt an diesem Abend. Er hat doch sogar bei dir geklopft!«
    »Aber ich habe nicht aufgemacht.«
    Isabel will sich verteidigen, doch der Blick der Frau verrät ihr, dass sie keine Chance hat, sie noch mit Worten zu erreichen.
    »Du hast ihn mir weggenommen. Aber ich lasse mir nicht alles gefallen.«
    Isabel hat wieder die Bilder vor Augen. Der tote Hausmeister am Fuße der Treppe, das Blut, die Verletzungen. Sie sieht aber auch, dass im Kopf der Frau die Minuten vor dem Tod Krögers ablaufen, dass diese Frau ihre Geschichte jetzt zum ersten Mal erzählt, dass ausgerechnet sie, Isabel, sie anhören muss.
    »Da hat er mir gesagt, dass er mich verlässt. Und sich dann im Keller ein Bier geholt. Aber ich lass mich nicht so abfertigen. Bin ihm gefolgt. Er hat mich angeschrien, dass ich ihm eklig bin   …«
    Ein hasserfüllter Blick.
    »…   dass er dich will.«
    »Aber ich wollte ihn nicht.«
    In diesem Moment schlägt die Frau zu. Isabel war auf den Hieb ins Gesicht nicht gefasst, sie zuckt zusammen. Es ist wie bei Kröger, schießt es ihr durchden Kopf. Sie hat bei ihm zugeschlagen   – und jetzt bei mir. Instinktiv spürt sie, dass sie in Lebensgefahr ist.
    Die Angst kommt, aber mit ihr auch die Wut.
    Isabel greift neben sich. Eine leere Flasche. So leicht gibt sie nicht auf.

22.   Kapitel
    Christoph irrt die Köpenicker Straße entlang, Schwer atmend sieht er sich um. Er hat die Frau aus den Augen verloren. Er weiß nicht, wohin sie verschwunden ist. Aber er muss sie finden. Er hat ein flaues Gefühl, irgendetwas stimmt hier nicht.
     
    Er ist ein Idiot, ein kompletter Idiot. Wie konnte er glauben, dass es ihm gelingen würde, einem Radfahrer zu Fuß zu folgen? Okay, die Frau sah nicht sehr sportlich aus und es war kein gutes Rad, aber trotzdem   … jetzt hat er sie verloren. Dabei lief es zunächst so gut.
     
    Wrangelstraße. Falckensteinstraße, Schlesisches Tor. Ein schwarzer Schatten auf zwei Rädern. Er hinterher, möglichst leise. Keine klappernden Schritte, kein lautes Atmen. Immer mal wieder ein Zwischenspurt. Immer mal wieder hinter einem Auto wegducken. Oberbaumbrücke   – sie hielt an. Ihr Blick auf die Spree. Was sah sie? Keine Ahnung. Er musste versuchen, näher zu kommen.
     
    Es war dunkel genug, er konnte es riskieren, sich zu nähern. Sie starrte immer noch auf irgendeinen Punkt, dann lachte sie böse und wendete ihr Rad. Er ahnte nur, was sie entdeckt hatte. Das Licht auf der Spree. Sonst war es dunkel ringsum.
     
    Sie fuhr nun schneller, er konnte ihr kaum folgen. Sie bog in die Köpenicker Straße ein, doch auf einmal war sie weg, wie vom Erdboden verschluckt.
     
    Christoph geht weiter. Wenige Menschen sind unterwegs, sie mustern ihn fragend, wie er in die Finsternis starrt, jedes Fahrrad genauer unter die Lupe nimmt, fast als wollte er es stehlen. Es muss ein einfaches Rad sein, eine Art Hollandrad.
     
    Verdammt. Alles umsonst. Die Warterei vor dem Haus, die Rennerei durch die Nacht. Alles Schwachsinn. Hilflose Aktionen. Die Isabel nichts nützten.
     
    Da steht es. An eine Hausmauer gelehnt. Ein altes Rad. Er geht durch das Tor, ein schön bepflanzter Hinterhof, soweit er das in der Dunkelheit erkennen kann. Der fahle Schein, der sich in der Spree spiegelt. Das Licht, das die Hausmeisterin bewogen hat, hierher zu fahren.
     
    Er läuft zum Ufer, sieht zwei Schatten auf einem Boot, die miteinander ringen. Die laute Stimme derHausmeisterin. Und ein Schmerzensschrei. Das ist Isabel.
    Er rennt die letzten Meter, doch er kommt zu spät. Das Boot ist nicht mehr fest vertäut, er treibt langsam weg vom Ufer, die Spree hinunter.
     
    Er sieht den Kampf, er hört die Schreie, dumpfe Schläge, jemand fällt, eine Glasscheibe splittert. Isabel ist dieser kräftigen Frau sicher unterlegen, er hat Angst um sie, weiß aber nicht, was er tun soll. Die Polizei zu rufen, es wäre Rettung und Verrat zugleich.
     
    Mit seinen Augen sucht er das Ufer ab. Da, ein Kanu. Er läuft hin, steigt ein, hektisch, fast kippt er. Dann fährt er los. Er muss es alleine machen.
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