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Aufbruch der Barbaren

Aufbruch der Barbaren

Titel: Aufbruch der Barbaren
Autoren: Hugh Walker
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starrte ihm schweigend nach. In seiner Miene war nichts zu lesen. Seine Gedanken aber waren nicht frei von Bewunderung. Was die Zeichen auch immer sagten, Nottr war ein Führer, wie die Horde keinen besseren finden würde. Wenn nur die Geister es wie er sehen könnten!
    Juccrus Sympathien für Nottr wuchsen an diesem Morgen. Vielleicht, wenn er frei wäre von Geistern und Ängsten, hätte er wie er entschieden – mutig und allen Mächten trotzend, mit fast zehntausend treuen Kriegern hinter ihm. Imrirr, welch eine Versuchung!
    Aber sein Schamanenkopf war voll von flüsternden Stimmen, die lachten und drohten und warnten und Geheimnisse verrieten, die die menschliche Seele mit Furcht erfüllten. Er war nie frei davon, konnte nie aufhören, zu grübeln und zu deuten. Was einen einfachen Kriegerverstand in die Umnachtung getrieben hätte, ertrug er gleichmütig. Er war fünf Dutzend Winter alt, und mehr als drei davon hatte er zwischen den Welten verbracht, bei den Toten und Ungeborenen und bei den Tiergeistern. Und sie hatten von ihm Besitz ergriffen, sich seiner Sinne bedient, durch seinen Mund gesprochen. Und wenn es auch bestimmter Vorbereitungen bedurfte, um ganz mit ihnen in Verbindung zu treten, so waren sie doch im Hintergrund seines Bewußtseins allgegenwärtig.
    Er konnte nicht über seinen Schatten springen, konnte sich nicht freimachen, konnte nicht aufhören, Zeichen zu sehen und zu deuten.

3.
    Bei Sonnenaufgang war die Große Horde erneut in Bewegung.
    Nottr verließ mit Juccru und zwei Dutzend Kriegern den Lagerplatz. In einiger Entfernung waren hinter ihnen bereits die ersten Verpflegungsschlitten zu erkennen, als die Kolonnen sich auf dem von Vorhut und Hauptmacht festgestampften Schnee vorwärtsschoben. Es versprach ein klarer Tag zu werden. Die Kälte war beißend. Der Atem von Männern und Tieren dampfte in der frostigen Luft.
    Die Hauptmacht stampfte mühsam einen Weg für die Lastschlitten des Trosses. Es gab kaum noch freies, felsiges Gelände. Je mehr sie sich dem Strom des Lebens näherten, desto dichter wurden die Wälder.
    Die Barbaren ritten, in Stämme aufgeteilt, kaum fünf Dutzend Krieger der kleinste, über hundert Dutzend die größten, wie die Quaren und Wolgen. Krieger und Kriegerinnen aus allen Stämmen bildeten auch die Jagdtrupps, die zu beiden Seiten des Heerwurms tief in das Land vordrangen, um Beute aufzuspüren. Ein Dutzend kleinere Horden von je hundert Kriegern begleiteten den Heerwurm zu beiden Seiten zum Schutz der Flanken und der Jäger, vor allem aber zum Schutz der mitgeführten Herden und der lebenswichtigen Vorräte. Über dem dumpfen Stampfen der Hufe und dem Schnauben der struppigen Pferde und den gelegentlichen Zurufen der Reiter war in der Ferne das Heulen von Wölfen zu vernehmen.
    Es erfüllte Nottr mit wachsender Unruhe.
    Als sie die Hauptmacht erreichten, berichteten die Führer der Flankenscharen von nächtlichen Überfällen der Wölfe auf die Pferde. Sie konnten sie abwehren. Es waren jeweils zwei, drei Dutzend Tiere, die den Angriff wagten. Die Flankenreiter befürchteten weitere Angriffe in den kommenden Nächten, und die Anführer bestürmten Nottr, einer Treibjagd auf diese angriffslustigen Rudel zuzustimmen. Ihr Fleisch würde eine willkommene Aufbesserung der Vorräte sein.
    Aber Nottr verbot es. Er wollte keinen Kampf mit den Wölfen, so lange er nicht wußte, wie stark das Große Rudel war, von dem Skoppr gesprochen hatte. Wenn alle Wölfe der Wildländer sich sammelten, mochte ihre Zahl die der Barbarenhorde weit übertreffen, und ein Kampf mochte das rasche Ende aller Pläne sein.
    Vielleicht war es ein Zauber – vielleicht war Olinga nicht tot. Vielleicht lebte sie wirklich auf eine unvorstellbare Weise mit den Wölfen; sie und Skoppr und Cahrn.
    Nein, er wollte keinen Kampf mit den Wölfen, wenn er ihn vermeiden konnte. Wie die Lorvaner waren sie Kämpfer und Jäger der Wildländer. Sie könnten Brüder sein im Kampf gegen die Finsternis. Sie hatten sich seltsam verhalten seit den Tagen in den Voldend-Bergen, fast eine Spur menschlich – so als verfolgten sie über ihre Instinkte hinaus einen ganz bestimmten Plan.
    Es gab guten Zauber und gute Geister hatte Juccru gesagt. Es mußte ein guter Zauber sein, der diese Wölfe lenkte, denn die Finsternis hätte sie alle längst verschlungen – damals in den Bergen. Er und seine Gefährten wären nicht zurückgekehrt.
    »Ihr nennt mich Cian’taya«, sagte er zu den Unterführern, »weil ihr meint,
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