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Aufbruch der Barbaren

Aufbruch der Barbaren

Titel: Aufbruch der Barbaren
Autoren: Hugh Walker
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die Wölfe sich sammelten und eine Gefahr bedeuteten. Sie glaubten nicht viel von dem, was Nottr oder Urgat nach ihrer Rückkehr aus den Voldend-Bergen berichteten. Und wenn seine Gefährten Nottr voller Begeisterung Cian’taya (der-der-mit-den-Wölfen-spricht) nannten, so murmelten sie den Namen in stummem Grimm.
    Aber der Name und die wundersamen Geschichten, die darüber erzählt wurden, hatten Nottr zu einem Führer von großem Ansehen gemacht, dem die Große Horde trotz aller Widrigkeiten mit Begeisterung folgte – ein Umstand, der die Schamanen davon abhielt, offen gegen Nottr Stimmung zu machen.
    »Ich will mit dir sprechen«, erklärte der Schamane.
    »Ich werde heute den Rat der Stammesführer zusammenrufen, um alle Vorschläge und Beschwerden zu hören. Willst du nicht auch dann sprechen?«
    Der Schamane schüttelte in der Düsternis den Kopf. »Was ich dir zu sagen habe, mag besser zwischen uns bleiben…«
    »Ich habe keine Geheimnisse mit deinesgleichen vor meinen…«, begann Nottr heftig.
    »Solange es auch dein Wunsch ist«, unterbrach ihn der Schamane ruhig.
    Nottr zögerte. Schließlich sagte er schulterzuckend: »Also gut. Aber laß uns ins Freie gehen…«
    »Darum wollte ich dich bitten, Hordenführer.«
    Sie traten aus dem Zelt. Die Morgendämmerung erhellte den östlichen Himmel, und ihr Licht erfüllte die schneeige Öde mit einem frostigen Funkeln. Einer der Wachtposten stand mit dem Rücken zu ihnen. Er wartete auf den Schlag der Wecktrommel, der jeden Augenblick erfolgen mußte.
    »Hier«, sagte Juccru und deutete auf den Boden nicht weit vom Zelteingang. »Siehst du diese Spuren?«
    Nottr nickte. Es waren die Fußspuren eines Menschen, und sie führten vom Zelt weg. »Was ist damit?« Dann sah er, daß andere daneben waren, die zum Zelt führten. »Sind es deine?«
    Der Schamane schüttelte den Kopf. »Meine würdest du da hinten finden.« Er deutete hinter das Zelt. »Ich habe dein Zelt beobachtet um die Mitternacht, Hordenführer.«
    Nottr fröstelte unwillkürlich. »Dann hätte sich einer meiner Lagerwachen schlafen legen können«, sagte er trocken.
    Juccru überging den Sarkasmus des Hordenführers. Sein knöchernes Gesicht war ausdruckslos. »Du hattest Besuch heute nacht. Ich sah ihn nicht kommen, aber ich sah ihn gehen.«
    Nottr starrte ihn an. »Wer war es?« fragte er, und seine Stimme zitterte.
    »Weißt du es nicht?«
    »Nein… wer war es?«
    »Ich sah nur einen… Schatten… keinen Schatten, der über den Boden kriecht, aber einen, der aufrecht schreitet. Aber wer könnte solch einen Schatten werfen, der aufrecht geht?«
    Nottr gab keine Antwort. Er dachte an Olinga und die Finsternis und mußte gegen die Furcht ankämpfen, die diese Gedanken über ihn brachten.
    »Ich sah ihn schon einmal, diesen Schatten… vor zwei Nächten. Aber da war ich nicht sicher. Doch diesmal… komm, ich bin diesen Spuren vorhin schon gefolgt. Sie führen geradewegs aus dem Lager.«
    Nottr folgte dem Schamanen zögernd. Er hatte Angst vor dem, was er sehen könnte.
    Was der Schamane ihm schließlich mit zitternder Hand zeigte, hatte er schon einmal gesehen, bevor die Große Horde ihren Marsch begann. Die menschlichen Fußstapfen im Schnee endeten außerhalb des Lagers abrupt und wurden zu einer Wolfsfährte, die in nördlicher Richtung führte.
    Schon einmal war Olinga zu ihm gekommen und war zu einem Wolf geworden. Es war also kein Traum – Olingas Gegenwart, ihre Zärtlichkeiten, ihre Worte waren wirklich.
    War es Olinga in Gestalt eines Wolfes gewesen?
    Oder ein Wolf in Gestalt Olingas?
    »Hier hat eine Verwandlung stattgefunden, Hordenführer«, sagte Juccru mit heiserer Stimme. »Es sind die Geister, die Skoppr dir schickt, um dich an seinen Fluch zu erinnern.«
    Nottr grinste freudlos. »Erscheinungen wie diese hatte ich schon, als Skoppr noch an meiner Seite war. Man könnte auf den Gedanken kommen, daß euresgleichen dafür verantwortlich ist.« Nottr empfand Genugtuung, als er sah, wie Juccru bleich wurde und wütend erwiderte:
    »Du hältst es für…!«
    Nottr ließ ihn nicht ausreden. »Nur Vernunft wird diese Große Horde zum Sieg führen, nicht Aberglaube. Skopprs Fluch entsprang nur seiner Wut über seine Hilflosigkeit. Wenn es Geister gibt, beherrschen sie auch Schamanen, nicht umgekehrt. Sie befehlen euch, nicht umgekehrt. Ich war zu lange in den Westländern. Abergläubische Barbaren nennen sie uns dort. Das ist zu einem guten Teil euer Verdienst, Schamane, denn ihr lehrtet
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