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Auf Tour mit Bob Marley

Auf Tour mit Bob Marley

Titel: Auf Tour mit Bob Marley
Autoren: Mark Miller
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der anderen Seite des Raums beobachtete, auf den sich die ganze Aufmerksamkeit der anderen zu konzentrieren schien. Ich legte das Gitarrenkabel zusammengerollt auf den Verstärker und sog dabei demonstrativ die rauchgeschwängerte Luft ein, als mir der Typ auf der anderen Seite des Raums etwas zurief. Er saß auf dem Garderobentisch vor der Spiegelreihe, die es in den Umkleideräumen aller großen Hallen und Theater gibt. Er rief: »Hey, junger Mann!« oder so etwas Ähnliches, und ich ging zu ihm rüber. Er fragte, warum ich nichts rauchte, und ich sagte, ich hätte nichts. Er nickte einem Typ zu, eine große Tüte voller Gras tauchte auf. Er nahm eine ordentliche Handvoll, wickelte es in ein Stück Papier, das er von einer Zeitung auf dem Garderobentisch abriss, und gab es mir. Ich schwebte ganz beglückt aus dem Raum, und eine knappe halbe Stunde später erfuhr ich, dass der Typ mit der komischen Frisur in der Garderobe (ich hatte damals noch nie Dreadlocks gesehen) Bob Marley war.
    An diesem Abend gab die Band eines der erstaunlichsten Konzerte, die ich je gesehen hatte, obwohl ich den größeren Teil der Siebzigerjahre für viele berühmte Gruppen, darunter insbesondere englische Bands, gearbeitet hatte. Es war einfach unglaublich, mit welcher Intensität Bob Marley seine Musik machte. Die ganze Band spielte so. Tyrone Downey, Al Anderson, Junior Marvin, Carlton »Carly« Barrett und Fams Barrett, Wya Lindo, Seeco Patterson und die I-Threes. Ich registrierte andächtig, dass sie das Publikum in eine andere Welt versetzten, und fuhr total auf die neue Musik ab. Ich hatte zuvor noch nie Reggae gehört …
    Nach der zweiten Show in der Queen Elizabeth Hall packte ich gerade die Ausrüstung zusammen, als Bobs Toningenieur Dennis Thompson auf mich zukam und sagte: »Bob will wissen, ob du gern mit uns arbeiten würdest.« Ich brauchte keine Sekunde, um mich zu entscheiden, nicht zurück nach LA zu fahren, sondern mit den großen Joints und den Dreadlocks von Bob Marley and the Wailers auf Tour zu gehen. Ich fuhr den Dreitonner mit dem Equipment zurück zum Hotel, rief Kenny Berry bei S. I. R. in Hollywood an, kündigte und teilte ihm mit, dass ich bei den Wailers bleiben würde. Dann deponierte ich die Schlüssel für den Dreitonner an der Rezeption und ging als neues Mitglied der Crew von BMW wieder hinaus.
    [ 1 ] Die Schöpfer der unsterblichen Diskohymne »YMCA«.

Frage: »Gibt es Frauen, die du bewunderst, Bob?«, Bob Marley: »Diese Frau in Amerika … Angela Davis. Eine Frau, die etwas verteidigt, das gefällt mir.«
    Ich war ein bisschen skeptisch, als man mich zum ersten Mal bat, über meine kleine Reise zu schreiben. Es war lange her, und ich hatte über viele Dinge noch nie gesprochen, die ich mit Bob Marley and the Wailers erlebt hatte. Doch nach reiflicher Überlegung stimmte ich zu.
    Ich bin mit einem sehr guten Gedächtnis gesegnet und kann mich an viel erinnern, wenn auch nicht an alles. Also seien Sie bitte nachsichtig, wenn Sie beim Lesen manchmal denken: »He, dieses Konzert war aber an einem anderen Tag.« Ich glaube schon, dass alles ziemlich genau stimmt, aber Fehler passieren eben. Ich war schon immer ein ausgesprochen ehrlicher Mensch, und an Stellen, die vielleicht nicht mit der Erinnerung anderer Leute übereinstimmen, versuche ich, so diplomatisch wie möglich zu sein.
    Meine zwei Söhne, Matthew und Harry, waren damals noch klein und dachten, ich sei der Nikolaus, weil ich die meiste Zeit auf Tournee war. Ich kam immer mit einem Sack voll Geschenke nach Hause, und dann war ich wieder weg. Die Arbeit mit Bob Marley war zunächst nur eine weitere Tournee für mich, aber dann wurde sie zur Tournee meines Lebens. Eine Menge Leute fragten mich nach den Konzerten, an denen ich beteiligt war, und ich habe in diesem Buch einige tolle Geschichten zu erzählen. Nach den alten Tourneeplänen, die ich für dieses Buch erst kürzlich zum ersten Mal studierte, war ich zwischen Juli 1978 und September 1980 an 124 Konzerten von Bob Marley and the Wailers beteiligt.
    Mit den Wailers zu touren war ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Ich musste lernen, wie sie tickten, aber umgekehrt war es genauso. Gleich zu Anfang merkte ich, dass bei Bob und der Band eine sehr familiäre Atmosphäre herrschte. Nach dem ersten Konzert in Vancouver fuhren wir in den Süden nach Seattle und Oregon, und von da an war ich für die Bühne und das ganze Equipment zuständig. Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal mit der
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