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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist unser Geld, Herr Baumgart. Wir wollen sichergehen.«
    »Ihre Sicherheit ist meine Schweigsamkeit – wollen Sie mehr Aktiva von mir?«
    Generaldirektor Meerbach seufzte. Er klappte seinen dünnen Hefter wieder zu und sah mit schrägem Kopf auf Baumgart.
    »Angenommen, wir leihen Ihnen ein Schiff.«
    »Ich nehme keine Almosen.«
    »Sie erpressen bloß, nicht wahr?«
    Jochen Baumgart erhob sich schroff. »Ich glaube, wir reden aneinander vorbei, meine Herren. Ihre Zeit ist kostbar, die meine auch. Ich werde mir erlauben, im Laufe des heutigen Nachmittags Ihrer Gattin, Herr Meerbach, meine Aufwartung zu machen.«
    »Sie wollen plaudern?«
    »Ich möchte meine Neugier stillen, ob Ihre Gattin wirklich so schlecht aussieht, daß Sie sie mit der kleinen Frau Konsul betrügen.«
    »Gut«, sagte Meerbach leise. »Wir geben Ihnen ein Darlehen auf unbestimmte Zeit und ohne Zinsen und Amortisation. Über die Zurückzahlung treffen wir ein Gentleman-Abkommen. Sie können über das Geld sofort verfügen, wenn Sie ein geeignetes Objekt gefunden haben.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Generaldirektor Meerbach sah zu Direktor Schleggel hinüber. Es hilft alles nichts, sagte dieser schnelle Blick. Der Kerl hat uns in der Hand.
    Jochen Baumgart atmete auf. Erreicht! Ein Schiff! Ein großes, modernes Schiff! Wie es erreicht wurde, war jetzt von minderer Bedeutung.
    Er würde in Kürze über die nassen Straßen Europas fahren und es den Dickköpfen von Baumgarts zeigen, daß er, der Jochen Baumgart, recht behielt! Dann wollte er sein Konto bei Meerbach und Schleggel begleichen, auf den Pfennig genau, so wie es sich gehört für ein Darlehen.
    Jochen Baumgart verließ schnell das Zimmer und wartete im Sekretariat, bis die Chefsekretärin ihm einen verschlossenen Umschlag brachte. Er dankte, steckte ihn in die Seitentasche seines Rockes und rannte aus dem Büro.
    Wovor flüchte ich, dachte er. Vor mir, vor meiner Gemeinheit? Er setzte sich in einer kleinen Parkanlage am Rhein auf eine Bank und sah über den breiten Strom.
    Dann griff er in seine Rocktasche, holte den verschlossenen Umschlag hervor und zerriß die festgeklebte Lasche. Ein kurzer Brief lag in dem Kuvert, unterschrieben von Meerbach und Schleggel.
    »Herr J. Baumgart ist berechtigt, auf unsere Rechnung den Kauf eines Rheinmotorlastschiffes zu tätigen.«
    Weiter nichts. Zwei Zeilen, die ein Vermögen wert waren.
    Am gleichen Abend noch fuhr Jochen Baumgart zu einer Werft nach Hamburg.
    Nachdem der alte Baumgart das Geld nach München überwiesen hatte, fuhr die ›Guter Weg‹ wieder aus dem Duisburger Hafen hinaus, durch die Schleusen und Kanäle, hinauf nach Norden, nach Bremen.
    Durch den Dortmund-Ems-Kanal und den Mittellandkanal zogen sie langsam bis Minden, bogen in die Weser ein und zogen durch das moorige Flachland dem großen Hafen zu. Es war eine traurige, stille Fahrt.
    Peter Baumgart saß im Ruderhaus auf einem Klappstuhl neben dem großen Steuerrad und sah durch die Fenster hinaus auf die Schleusen und Kanäle, auf die Wasserstationen und Zollboote, und es war ihm, als sei es seine letzte Fahrt. Er winkte den Wasserschutzpolizisten zu, den Hafenmeistern, den Wasserbau-Inspektoren, die mit schnellen Motorbooten die Wasserwege abfuhren und kontrollierten, die Spundwände der Kanäle, die Schleusen und Brückendurchfahrten, die Fahrrinnen in den Flüssen, die immer wieder mit großen Baggern vom Stromsand freigeschaufelt werden mußten.
    Er erkannte sie alle – Gesichter, die mit ihm alt geworden waren, Generationen, die er hatte aufwachsen sehen wie seine eigenen Kinder. Jetzt waren es Männer geworden, die ihn ›Papa Baumgart‹ genannt hatten, und sie ließen die Sirenen heulen oder die Dampfpfeifen gellen, wenn die ›Guter Weg‹ langsam, breit, behäbig wie eine Matrone durch das Wasser furchte.
    Er kannte jedes Haus an den Flüssen und Kanälen. Er kannte jeden Schlot, jedes Maschinenhaus, jeden Förderturm, jede Windmühle, jeden Glaspalast am Strom. Jeder Flecken dieses Landes hatte sein eigenes Schicksal, und der alte Baumgart kannte es, hatte es miterlebt, verfolgt, bedauert, sich gefreut.
    Das alles war nun vorbei. Hannes fuhr das Schiff, er, der Alte, saß daneben, rauchte seine Pfeife, las die Zeitung, die sie bei Aufenthalten kauften oder die ihnen die Lotsen oder Wasserbau-Inspektoren an Bord brachten.
    Manchmal wollte er etwas sagen: Hannes, du mußt mehr in der Mitte fahren. Hannes, die Spundwand dort ist abgesackt. Halte dich mehr nach links,
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