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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition)
Autoren: Christian Waluszek
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sie sich keine Sorgen machen muss. Schon ihr Vater hat von so einem großen Geschäft geträumt und ihr habt es dann geschafft ... Ach was!«
    Sie sprang auf und rannte aus dem Wohnwagen. Sie war enttäuscht und wütend zugleich. Das hatte Jeschke, dieses Schwein, schön eingefädelt. Sich als Helfer aufgespielt. Und der Vater ist darauf reingefallen. Mirja blieb an der Geisterbahn stehen und wischte sich die Tränen aus den Augen. So sollte sie keiner sehen. Sie musste jetzt etwas unternehmen, aber was? In der Geisterbahn hörte sie ein Hämmern.
    Mirja kroch unter die Plane, die die Rohrkonstruktion der Geisterbahn bedeckte. Das Hämmern kam von oben. Geschickt kletterte sie die Rohre und Gestänge hoch und ging dann auf den Schienen entlang nach oben, zum »Toten Mann«. Edek lag unter dem Sarg und schlug mit dem Hammer auf irgendein Rohr ein.
    »Alles verbogen«, schimpfte er, als er Mirja kommen hörte. »Deckel von Sarg geht nicht richtig auf und Kopf von ›Tote Mann‹ stoßt immer dagegen. Ich hab Max gesagt, er soll nicht mit sein fettes Hintern auf Sarg sitzen, wenn keine Wagen kommt! Und jetzt alles ist verbogen!«
    »Pass mal auf«, sagte Mirja, als Edek mit Hämmern fertig war. »Du kennst doch den Jeschke?«
    »Jeschke? Was für Jeschke?«
    »Dem gehört das Riesenrad und die Achterbahn und was weiß ich noch alles.«
    »Ach, der Mann mit Zigarre?« Edek sammelte unter dem Sarg das Werkzeug zusammen.
    »Genau der.«
    »War gestern bei deine Vater, hab ich gesehen.«
    »Eben, darum geht’s. Pass mal auf – wenn du ihn morgen kommen siehst, sagst du mir sofort Bescheid, klar?«
    »Klar. Und warum?«
    Mirja erzählte Edek, was sie gerade von ihrem Vater erfahren hatte, und fügte dann noch hinzu, dass Jeschke auf keinen Fall allein mit ihrem Vater sprechen dürfe.
    »Jeschke ist großes Bandit«, meinte Edek, den die Geschichte ziemlich aufgeregt hatte. »Einfach mit Hammer auf Kopf draufhauen und schon ist Ruhe!« Zur Bekräftigung seiner Worte hob er den Hammer und schlug auf eines der Rohre ein. Im gleichen Augenblick sprang der Deckel des Sarges auf, und der »Tote Mann« flog mit einem lauten Knall in die Höhe.
    Edek erschrak so, dass er den Hammer fallen ließ. Dieser polterte nun zwischen den vielen Rohrgestängen nach unten, bis er auf irgendeinem Brett dumpf aufschlug.
    »Blöder Mann«, schimpfte Edek, stopfte den »Toten Mann« wieder in den Sarg und schloss den Deckel. Dann meinte er, als sei nichts geschehen: »Jeschke soll nur kommen! Dem brech ich alle Knochen!«
    »Ne, Edek, lass mal, kein Knochenbrechen ... Jeschke ist kein Schläger. Dem muss man anders beikommen. Irgendwo werden wir schon das Geld auftreiben, das wir ihm schulden. Ich muss nur dafür sorgen, dass Papa nicht unterschreibt. Das Geschäft bekommt Jeschke auf keinen Fall. Ich hab Mama versprochen, dass ich aufpasse ...« Mirjas Stimme wurde weich und sie fuhr sich mit der Hand über die Augen.
    Edek räusperte sich unsicher. Dann löste er das rote Tuch vom Hals und gab es Mirja. »Hier, für Augen«, meinte er.
    »Ach, lass nur«, sagte Mirja, nahm aber das Tuch. »Ich muss immer gleich heulen. Das hab ich von Mama geerbt. Die musste auch immer in den unpassendsten Momenten heulen ...« Sie trocknete die Tränen und gab das Tuch wieder zurück.
    Edek betrachtete die dunklen Tränenflecken auf dem Tuch. »Ist echt aus Texas. Kriegen nur beste Cowboys auf Ranch, wenn sie auf wilde Pferde geritten haben. Hab ich dort getragen, wenn wir die Kühe getrieben haben. War viel Staub. Von Kühen und von Hubschraubern.«
    »Von Hubschraubern?«
    »Klar. Unten hundert Mann auf Pferden und oben zehn Hubschrauber. Das ging schneller. Fünftausend Kühe, manchmal zehntausend ...« Edek fuhr sich nachdenklich über sein Bärtchen und schaute in die Ferne, als säße er auf einem Pferd und sähe die Menge von Kühen vor sich.
    »Ich muss jetzt wieder runter«, sagte Mirja. »Mittagessen kochen. Um eins machen wir auf.«
    »Alles klar.«
    Edek sammelte das Werkzeug zusammen. Er war bester Laune. Beinahe hätte er Mirja das Tuch geschenkt. Aber dann war ihm eingefallen, dass er es vielleicht doch lieber mit dem Parfüm versuchen sollte. Er hatte schon letztes Mal die schöne Kristallflasche mit dem goldenen Verschluss kaufen wollen, es dann aber doch nicht getan. Nicht weil er fürchtete, Mirja würde es missverstehen, nein. Er hatte nur nicht genug Geld dabei und außerdem wollte er noch warten, ob ihm nicht etwas Besseres
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