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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition)
Autoren: Christian Waluszek
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Affen zu sehen, der laut brüllte und dessen Augen blinkten. Wilfried hatte schon viele Affen gesehen, aber noch nie einen mit so schönen Augen. Unten geschahen auch verwunderliche Sachen: In einen aufgerissenen Riesenmund mit großen Zähnen fuhren immer wieder kleine Wagen hinein, die dann später auf der anderen Seite herauskamen.
    Einen ähnlichen Mund hatte Wilfried schon einmal in einem Dorf am Amazonas gesehen. Er befand sich in einer mannshohen Maske, die um ein Feuer einen Kriegstanz ausführte und vor der sich alle Leute fürchteten. Als die Maske bei Wilfried angekommen war und ihn erschrecken wollte, hatte er sie einfach hochgehoben und geschüttelt, bis der Yanonami-Indio, der dahinter steckte, rausgefallen war. Das hatte Wilfried sehr leid getan, denn der Indio war auf einen spitzen Stein gefallen, hatte sich am Fuß verletzt und musste von Wilfrieds Vater verarztet werden.
    Wilfried schaute. Die Geisterbahn war geheimnisvoll mit roten und grün ausfließenden Buchstaben beschriftet. Hier stand: »Gefährliche Affen-Frau!«, dort: »Eiskaltes Händchen!«, weiter oben: »Toter Mann!« Und die Leute, die aus der Geisterbahn kamen, machten erfreute Gesichter. Sicher war es da drinnen wie im Urwald. Jedenfalls hörte man ganz seltsame, dumpfe Schreie. Ob er es auch einmal versuchen sollte?
    Wilfried kaufte an der Kasse einen Chip und setzte sich in einen freien Wagen. Er war ziemlich klein, so klein, dass Wilfrieds Knie ihm bis unters Kinn gingen. Er wusste auch nicht, wo er mit der Plastiktüte hin sollte. Er versuchte es seitlich, neben den Beinen.
    »Bisschen eng, was, Kleiner?«, sagte ein dünner Mann mit einem ausgeschlagenen Zahn und nahm den Chip.
    Wilfried lächelte.
    Der Dünne grinste.
    »Und da vorne schön bücken!«, sagte er und zeigte auf das Riesenmaul in der Einfahrt. »Sonst gibt’s gleich ´ne Macke im Kopf!«
    »Danke!«, sagte Wilfried. Vor lauter Aufregung hätte er bestimmt nicht an die langen Zähne gedacht.
    Und schon ging es los! Das Riesenmaul kam auf Wilfried zu, er zog den Kopf ein, dann verschlang ihn die Dunkelheit. Der Wagen polterte und schaukelte über die Schienen. Ein schwaches Licht glimmte auf. Weiter vor sich entdeckte Wilfried einen anderen Wagen. Die Leute darin schrien auf und Wilfried sah schattenhaft, wie sie mit den Armen um sich schlugen. Gleich danach war auch er dran: Aus dem Dunkel über seinem Kopf fielen plötzlich Schnüre auf ihn herab. Sie fühlten sich an wie kleine, dünne Lianen im Urwald. Sie kitzelten Wilfried gewaltig an den Ohren und am Hals und er musste lauthals lachen.
    Zum Glück waren die Lianen bald wieder verschwunden, denn Wilfried hatte sich vor lauter Lachen verschluckt und hustete. Nun ging es nach oben. Ein immer lauter werdendes Stöhnen war zu hören, dann, als der Wagen oben angekommen war, sah Wilfried in einer rot ausgeleuchteten Nische einen weiß gekleideten Mann mit einer Axt. Er stürzte auf Wilfried zu und bewegte die Axt hin und her. Kurz vor Wilfried fiel dem Mann die Kapuze herunter und Wilfried erblickte einen ausgemergelten Kopf, der mit den Zähnen klapperte. Ein grausliches Heulen ertönte und der Mann riss sich mit einer einzigen Handbewegung den Kopf ab.
    Wilfried schaute sich bedauernd um. Das kannte er. Er war am Rio Negro in den Minen Goldsuchern begegnet, die auch so ausgesehen und mit den Zähnen geklappert hatten – so hatte sie das Malariafieber geschüttelt. Schlimm nur, dass sich der Mann aus Verzweiflung den Kopf abgerissen hatte. Das hätte nicht sein müssen.
    Vor lauter Nachdenken bekam Wilfried erst im letzten Augenblick mit, wie neben ihm schreckliche Fratzen auftauchten, sich schüttelten und wieder verschwanden. Dann sah er in einem plötzlich aufflammenden, grellen Licht eine vergitterte Zelle, hinter der eine Frau auftauchte. Sie war an die Gitter gekettet und schrie. Doch da veränderte sich schlagartig ihre Gestalt und ein großer, behaarter Affe war an das Gitter gekettet. Er rüttelte so fest an den Stäben, dass sie auseinanderbrachen. Der Affe stürzte nach draußen, kam aber nicht an Wilfried heran, weil sein Wagen schon weitergefahren war.
    Wilfried schüttelte den Kopf. Wo war denn bloß die Frau geblieben? Er hatte gar nicht gemerkt, wie sie verschwunden war, so schnell war der Affe aufgetaucht. Er musste es sich beim nächsten Mal genauer anschauen. Ja, Affen konnten blitzschnell sein. Eher würde es Wilfried mit einem Krokodil aufnehmen – dem konnte man wenigstens das Maul
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