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Auf gluehenden Kohlen

Auf gluehenden Kohlen

Titel: Auf gluehenden Kohlen
Autoren: Phillip Margolin
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psychisch. Wenn auf Verfahrensfehler erkannt werden würde, müsste Mrs. Elliot einen zweiten Prozess über sich ergehen lassen. In einem zweiten Prozess hätten die Verteidiger Abschriften der Aussagen von Mrs. Elliots Zeugen; das heißt, sie kannten dann deren ganze Strategie. Ein Aufschub half immer dem Beklagten, wenn der Kläger triftige Beweise hatte. Und die Sache des Klägers war fast abgeschlossen. Nur zwei kurze Zeugenaussagen standen noch aus.
    Peter blieb unmittelbar im Innern des Gerichtsgeb äudes stehen. Anwälte, Prozessparteien, Polizisten und Gerichtsangestellte wirbelten um ihn herum, das Geräusch Dutzender von Unterhaltungen bildete einen ständigen Lärmpegel, aber er achtete nicht auf die Menge. War sein Vater klar bei Verstand gewesen, als er Peter gesagt hatte, er solle auf Verfahrensfehler plädieren? Er hatte unerträgliche Schmerzen gehabt. Wollte sein Vater wirklich den Fall abbrechen, wo doch alles so gut lief? Würde sich Richard überhaupt an seine Anweisung erinnern, wenn er sich von dem Trauma seines Herzinfarkts erholte? Peter war sich sicher, dass es nicht in Mrs. Elliots ureigenstem Interesse lag, wenn er die Wünsche seines Vaters befolgte, aber der Gedanke, Richard Haies Befehl zuwiderzuhandeln, schreckte ihn.
    Peter bemerkte, dass er zitterte. Er holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Ein Anwalt war als erstes seinem Klienten verpflichtet. Aber warum hatte sein Vater ihm dann gesagt, er solle auf Verfahrensfehler plädieren? Es dauerte eine Weile, bis Peter die Antwort dämmerte. Richard Haie hatte kein Vertrauen in Peters Fähigkeiten, den Fall zu übernehmen.
    Peters Angst wich und machte Emp örung Platz. Er straffte die Schultern und schritt durch die Eingangshalle auf die Fahrstühle zu. Als sich die Aufzugstüren öffneten, war Peter bereit, den Fall zu übernehmen. Er würde seinem Vater einfach zeigen, wie gut er war. Er würde den Fall Elliot gewinnen. Dann würde er Richard Haie den millionenschweren Schuldspruch servieren, unwiderleglicher Beweis dafür, dass er bereit, willens und in der Lage war, in die höheren Gefilde aufzusteigen.
    Alvin Pruitt war ein spindeld ürrer Richter mit militärischem Bürstenschnitt, kleinen, glänzenden, blutunterlaufenen Augen und eingesunkenen Wangen, die stets mit grauen Bartstoppeln bewachsen zu sein schienen. Er war schlecht gelaunt und führte seinen Gerichtssaal wie eine Marinekaserne. Als Peter den Raum betrat, kam er bereits zehn Minuten zu spät, und der Richter war wütend.
    »Hoffentlich haben Sie eine triftige Erklärung für Ihre Unpünktlichkeit, Mr. Haie.«
    »Gewiss, Sir. Es ist etwas Unerwartetes geschehen. Darf ich vor die Richterbank treten?«
    Pruitt machte ein miss mutiges Gesicht und blickte suchend über Peter hinweg. »Wo ist Ihr Vater?«
    »Genau darüber möchte ich Ihnen Mitteilung machen«, antwortete Peter, als er sich durch das niedrige Türchen schob, das die Zuschauer von dem Bereich vor dem Richtersitz trennte. Pruitt winkte Peter näher, dann wandte er sich an den Anwalt, der Northwest Maritime und ihren Fahrer vertrat. »Mr. Compton, kommen Sie am besten mal hier rauf.« Peter machte am Tisch der Klägerin halt, um seiner Klientin guten Tag zu sagen. Nellie Elliot war eine verbrauchte Frau, die schon durch Armut, den zu frühen Tod ihres Mannes und die strapaziöse Aufgabe, fünf kleine Kinder großzuziehen, aufgerieben war, als das Leben ihr eine letzte Wunde zufügte, indem es sie vor die Räder eines Northwest-Maritime-Trucks geraten ließ. Jetzt saß Mrs. Elliot vollkommen gelähmt im Rollstuhl, und ihre Klage belief sich auf Millionen.
    »Was ist los?« fragte Mrs. Elliot. Seit dem Unfall konnte sie nur ihren Kopf bewegen, der sogleich zur linken Schulter herabsank. Die Worte kamen nur stockend und undeutlich, ein weiteres Resultat der Fahrlässigkeit des Beklagten.
    »Ich informiere Sie, wenn ich mich mit dem Richter beraten habe«, antwortete Peter mit einem beschwichtigenden Lächeln. »Na?« fragte Richter Pruitt ungeduldig.
    Peter sprach leise, damit seine Stimme nicht bis zu seiner Mandantin drang.
    »Euer Ehren, mein Vater hat einen Herzinfarkt erlitten, als wir gerade zum Gericht aufbrechen wollten.«
    Lyle Compton zog ein erschrockenes Gesicht, und der Richter legte sein b ärbeißiges Betragen ab. Beide Männer kannten Richard Haie inzwischen länger als zwanzig Jahre. Richter Pruitt verführ zwar brüsk mit allen, die vor ihm erschienen, aber für Richard Haie empfand er
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