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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Luft blasen konnte, aber das ist alles.«
    Ich befühlte das Glücksarmband an meinem Handgelenk. Unsere Mutter hatte uns die Armbänder kurz nach unserer Geburt geschenkt, und wir trugen sie immer, hatten Glieder einsetzen lassen, als sie zu drücken begannen, und schenkten uns gegenseitig kleine Anhänger dafür, zu jedem Geburtstag einen neuen. Abgesehen von unserem dichten braunen Haar und der Fähigkeit, ohne Sonnenbrand braun zu werden, waren es die einzigen Dinge, die sie uns je geschenkt hatte. »Ich glaube, sie war Tänzerin«, sagte ich.
    Natürlich hatte ich keine Ahnung, ob sie Tänzerin oder Klempnerin war, aber ich hatte sie mir immer in Ballettschuhen und schwingenden Röcken vorgestellt. Da Daddy wie ein verrückt gewordener Truthahn tanzte, dachte ich, dass die Gene für mein einziges Talent von meiner Mutter stammen mussten. In meinem Herzen war ich eine Tänzerin, auch wenn wir uns richtigen Unterricht nicht leisten konnten. Als ich acht war, hatte die Lehrerin in meiner Modern-Movements-Klasse meinem Vater gesagt, ich könne Großes erreichen, wenn er mich in die Ballettschule schickte. Was er natürlich nicht tat, weshalb die einzige Art von Tanz, die ich kannte, Modern Movements war, bei dem man aussah wie ein plattfüßiges Nilpferd. Aber ich war mir ganz sicher, dass ich es im Tanzen irgendwann zu Starruhm gebracht hätte.

    »Wenn sie tanzt, dann in einem Striplokal«, sagte Eve.
    Ich erwiderte darauf nichts, also fügte sie hinzu: »Auf dem Schoß von Männern.«
    »Du musst es ja wissen«, sagte ich, aber das Bild unserer Mutter (immer noch in Ballettschuhen), die auf einem Schoß tanzte, hatte sich mir fest eingeprägt. »Ich hab manchmal diesen Traum«, sagte ich, um das Bild abzuschütteln, »Mom irgendwo draußen auf einem Boot, und sie schreibt alles, was passiert, in ein Heft und denkt darüber nach, wann sie zurückkommt, um es uns zu zeigen.«
    Eve zog mein Haar so straff, dass ich das Gefühl hatte, mir würden ganze Strähnen ausgerissen. »Sei keine Idiotin, Kerry.«
    Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Es war dumm, sicher. Aber ein Teil von mir glaubte immer noch daran, weil dadurch die beiden Grundwahrheiten der Kindheit aufrechterhalten wurden: dass Mammys nicht fortgehen und Daddys nicht lügen. Als sie das erste Mal wegging, erzählte Daddy uns, sie segle um die Welt, und ehe wir’s uns versähen, wäre sie wieder zurück. Und jahrelang glaubten wir ihm, standen stundenlang am New Harbour Dock und warteten, dass sie aus einer Fähre mit einem Sack voller Geschichten und Bergen exotischer Geschenke auftauchte (Kastagnetten!, Barrets!, scharfer, mexikanischer Jalapeño-Chili!). Wir spekulierten darüber, was sie wohl alles auf ihrer Reise sah: afrikanische Stämme mit Bongo-Trommeln, wunderschöne Geishas in roten Kimonos und mit kunstvollen Haarknoten, die mit Essstäbchen festgesteckt waren.
    Doch obwohl wir nie darüber sprachen, wussten wir in unserem Innern von dunkleren Seiten. Wir erinnerten uns an Wortfetzen, eine geworfene Vase und, am schlimmsten von allem, an blutige Laken, die in einem Becken gewaschen wurden und aus
denen rotes Wasser den Ausguss hinunterwirbelte. Wir wussten nicht, was sie bedeuteten. Wir wollten es nicht wissen.
    Mit zusammengekniffenen Augen sah ich auf den Horizont hinaus und konzentrierte mich auf die Bugwelle eines zurückkommenden Schnellboots, auf das aufschäumende und sich glättende Wasser. »Es gibt einen Grund, warum sie noch nicht gekommen ist. Auch wenn wir ihn nicht kennen, gibt es irgendeinen Grund dafür.« Mir waren Dutzende mehr oder weniger plausible Gründe eingefallen, angefangen von der Entführung durch Außerirdische, einer komplizierten Geschichte, die sie mit Satellitenspionage in Verbindung brachte, bis hin zu ihrem Kidnapping durch den KGB. Im Bücherladen gab es ein Magazin, das ich mir jeden Monat kaufte. Es hieß Unbekannte Wahrheiten und war voller Geschichten über Verschwörungen, UFOs und die Geheimnisse von Atlantis. Es lieferte den klaren Beweis, dass im Grunde alles möglich war.
    Eve hörte mit dem Flechten auf und folgte meinem Blick aufs Meer hinaus. Als ich sie ansah, wandte sie sich ab, und mein Haar fiel mir zurück ins Gesicht. »Wenn es sie auch nur einen Dreck interessieren würde - wie schwierig wäre es deiner Meinung nach wohl, uns zu finden? Willst du wissen, was ich träume? Ich sehe sie auf dem Times Square, sie trägt einen glänzenden orangefarbenen Minirock und falsche Wimpern
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