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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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wären. Ich sah einfach keinen Sinn darin, vier Jahre auf dem College zu vergeuden, wenn der Mann, den ich heiraten würde, genau hier war.
    Jetzt war ich dran mit Parasailing: Meine Füße hoben von den Bootsplanken ab, kribbelnd aufregende Freiheit, der Wind ließ meine Augen tränen und fuhr mir in die Nase. Ich blickte über unsere Insel, die grünen Hügel, die mäandernden Steinzäune und die Wellen, die gegen die Klippen schlugen. Das Land war so schmal zwischen dem Great Salt Pond und dem Ozean, als bedürfte es nur einer genügend großen Welle, um die Insel entzweizubeißen.
    Unten stand Eve am Bug, lachend, die Arme in die Höhe und den Kopf zurückgeworfen. Am Horizont sah ich ein Segelboot auf seinem Schatten, ein winziger weißer, unvergänglicher Diamant. In diesem sicheren Abstand stellte ich mir meine Mutter vor, die nach Land Ausschau hielt und sich fragte, ob wir sie beobachteten. Plötzlich zog sich mein Magen zusammen, und mit einem Mal begriff ich, dass sich Verlust leichter ertragen ließ, wenn man sich einredete, es lohne sich nicht, um ihn zu trauern. Das musste Eve bereits verstanden haben.

    »Blau«, sagte Eve. Es war später am Nachmittag, wir saßen im Schlafzimmer, die Ellbogen auf meinen Schreibtisch gestützt, die Augen geschlossen und die Handflächen aneinandergelegt.
    »Gut«, sagte ich. »Und …?«
    »Und etwas Schwimmendes, ich weiß nicht. Alles, was ich sehe, sind Punkte. Fische vielleicht?«
    Das war ein Spiel, das wir zur Übung jede Woche spielten. Gewöhnlich waren wir ziemlich gut, mit einer Erfolgsrate von etwa fünfzig Prozent. Zwillinge teilten sich eine gemeinsame Aura, davon waren wir überzeugt. Ich stellte sie mir als minzartigen Nebel vor, wie Zahnpasta-Atem. Zellen mochten sich teilen, aber die Aura-Wolke verband uns, egal wie weit entfernt wir voneinander waren. In vielen Nächten wachten wir schreiend wegen des gleichen Albtraums auf und weinten dann mit ineinander verschlungenen Beinen. Einmal verhedderten sich meine Haare ganz furchtbar in einem Reißverschluss, am selben Tag klebte Kaugummi in Eves Haar, und wir liefen einen Monat lang mit schief abgeschnittenen Haaren herum.
    Als wir klein waren, war diese geheime Verbindung etwas ganz Privates, das nicht verraten werden durfte. Aber jetzt wussten wir, dass wir eine besondere Gabe besaßen, die vermarktet werden konnte. Unser Plan war, zu Ripley’s Believe It or Not zu gehen, einer Fernsehshow, in der die seltsamsten und faszinierendsten Phänomene und Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten gezeigt wurden. Allerdings mussten wir dafür mit einer höheren Erfolgsrate als fünfzig Prozent aufwarten.
    »Wie Fische irgendwie«, sagte ich, »aber nicht ganz.«
    »Himmel, Wolken … Vergiss es. Ich kann mich nicht konzentrieren.« Eve begann mit meinen Fingern zu spielen und fuhr mit den Daumen über die rauen Ränder meiner Nägel. Sie zog
eine Augenbraue hoch, ein Trick, den sie seit Kurzem beherrschte und den ich stundenlang erfolglos nachzuahmen versuchte. »Ich glaube, Justin ist in mich verliebt«, sagte sie.
    Ich hatte plötzlich ein Gefühl, als sammelte sich matschiges Eis in meinen Eingeweiden. »Ah ja.«
    »Ich meine es ernst, ich weiß es. Wenn wir auf der Straße aneinander vorbeigehen, sieht er mir ganz schnell in die Augen. Und glaub mir, das ist kein freundlicher Blick. Vielleicht geht’s auch gar nicht um Liebe, sondern bloß um Sex.«
    Ich zog meine Hände weg. »Du musst es ja wissen.«
    »Er hat schon immer auf mich gestanden. Erinnerst du dich noch, damals, vor Ewigkeiten, als wir alle in dem Schaumbad saßen?«
    Das Schaumbad war tatsächlich eine meiner Lieblingserinnerungen, die Art, die man so viele Male immer wieder abspulte, dass man irgendwann gar nicht mehr sicher war, ob sie sich überhaupt so zugetragen hatte. Eve und ich saßen bei offener Tür in der Badewanne, sodass jeder uns sehen konnte. Justin ging vorbei und rief nach uns, weil er uns irgendeine Arbeit für die Schule zeigen wollte, die er aus Backsoda, Essig und einer Rolle Toilettenpapier zusammengebastelt hatte. Eve sah mich an, grinste und rief zurück. Mit rotem Gesicht und wie erstarrt blieb er vor der Tür stehen, bis Eve sagte: »Komm doch rein.«
    Er wandte sich von uns ab, zog sich aus und glitt dann in die Wanne. Wir spritzten ihn an, er spritzte zurück, bis der Schaum fast weg war, und dann lag er auf meiner Seite der Wanne. Eve saß zwischen Wasserhahn und Wand, unsere Knie berührten sich, Waschlappen
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