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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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zu Klagen über ihre Gicht. Jede Woche nach dem Unterricht dankte sie mir für die Stunde und tischte dann irgendwelche Jugenderinnerungen auf, die ihr bei der Musik vom Band eingefallen waren. Ich ließ ihr das durchgehen, weil ich annahm, dass sie sonst niemanden zum Reden hatte, und weil ich wusste, was für ein Gift Einsamkeit sein konnte.
    Halb sechs. Mist. Bis ich nach Hause käme, wäre es dunkel, und ich hasste es, im Dunkeln heimzugehen. Allein durch die Nacht zu laufen war genauso, wie im Bett zu liegen und auf Schlaf zu warten: Es gab nichts, was einen von sich selbst ablenkte.
    »Hessie ist schon immer so narzisstisch gewesen«, sagte Estella. »Narzisstisch ist doch das richtige Wort? In letzter Zeit scheint mir mein Wortschatz abhanden zu kommen. Sie hat sich die Brüste operieren lassen, wissen Sie.« Sie zog ein Taschentuch aus dem Ärmel ihres Gymnastikanzugs, betupfte ihre Nase damit und steckte es dann wieder zurück.
    Ich lächelte sie höflich an. Als mir die Idee kam, Tanz zu unterrichten, stellte ich mir eine Klasse voller Frauen vor, die wie Bauchtänzerinnen aussahen, mit langen dunklen Haaren
und perfekten Taillen, Frauen, die wie ich einst davon geträumt hatten, Tänzerinnen zu werden, aber nie über den Traum hinausgekommen waren. Was ich jedoch stattdessen bekam, war eine Klasse von Damen in den Sechzigern, die in ihren Trikots, die sich an den unmöglichsten Stellen ausbeulten, die Anmut eines Polstersofas besaßen. Aber es war okay. Sie waren sehr dankbar.
    »Sie sehen aber doch sicher nicht wie operiert aus«, antwortete ich, da sie offensichtlich Abscheu erwartete. »Vielleicht handelt es sich um eine Prozedur, die noch nicht abgeschlossen ist.«
    »Ich weiß!«, sagte Estella. »Sie sind so winzig. Wissen Sie, dass sie sich auch die Arme operieren ließ? Die Arme!«
    Nachdem sie gegangen war, streifte ich ein Kleid über mein Trikot, zog ein Paar Sportschuhe an und joggte die zwölf Blocks nach Hause. Die Straßen waren voller Touristen auf dem Weg zum Essen, meistens junge Paare, allein oder mit Kinderwagen und Windeltüten bepackt. Städte sind für Paare gemacht. Gehe ich alleine in ein Restaurant oder ins Kino, werde ich angestarrt; auf der Insel hingegen sind alleinstehende Leute willkommen, man freundet sich mit ihnen an und lädt sie ein, sich anzuschließen. Hier bestellte ich mir nicht mal gern eine Pizza, weil ich sicher war, der Botenjunge stellte sich vor, wie ich sie in riesigen Stücken hinunterschlang und mir das triefende Fett vom Mund wischte.
    Ich stieg die Treppe hinauf und sperrte meine Wohnung auf: Türknopf, Riegel, Kette. Nach dreizehn Jahren hatte ich mich immer noch nicht an die übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen gewöhnt. Wenn wir auf der Insel aus dem Haus gingen, ließen wir Tür und Fenster weit auf, damit es gut durchlüftete. In dieser Stadt konnte man sich nur sicher fühlen, wenn man einen
Stolperdraht am Eingang befestigte und das andere Ende mit einer Wasserstoffbombe verband.
    Der Anrufbeantworter blinkte. Ich ahnte bereits, wer angerufen hatte. Seth Powell wohnte eine Etage tiefer. Wir hatten uns letzten Monat im Aufzug kennengelernt, und er hatte sich sofort an mich gehängt, und da er ein alleinstehender Mann in einer Stadt ohne alleinstehende Männer war, ließ ich es zu. Er war witzig und recht attraktiv, und wir küssten uns bei der ersten Verabredung, weil man manchmal einfach von einem witzigen, recht attraktiven Typen geküsst werden will. Aber er war auch der Typ Mann, der mich »Babe« nannte und sich bei Spielen der Patriots rot und blau anmalte. Der Prototyp mit zu viel Testosteron, der sich zu Höhlenzeiten vor Höhlenfrauen auf die Brust getrommelt und Hunderte von Höhlenkindern gezeugt hätte. Ich seufzte und goss mir ein Glas Wein ein.
    Ich wollte allein sein. Die ganze Woche war ich bei einem Fortbildungsseminar für meinen »richtigen« Job bei U. S. Trust Investments gewesen, wo man uns mit Videos und Übungen beizubringen versuchte, wie man Fremde reinlegt. Wir sollten ihnen erzählen, dass wir in ihrer Stadt geboren sind und an ihrer Universität unseren Abschluss gemacht haben. Wenn wir ein Baby im Hintergrund hörten, sollten wir dies für unsere nächste Attacke nutzen: Junge oder Mädchen? Wie alt ist er/sie denn? Was für ein Zufall, dass ich einen Sohn/eine Tochter im gleichen Alter habe. Wie wundervoll für mich zu wissen, dass ich bereits in ihre/seine Zukunft investiert habe.
    Ich war inzwischen richtig gut im
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