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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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keine drei quälenden Stunden lang. Ich muss hier raus, sonst platzt mir der Kragen, und zwar mit einem sehr lauten Knall. Mit einem letzten verächtlichen Blick auf die Verräter drehe ich nach rechts ab und verlasse die Halle von allen unbemerkt durch den Vordereingang.

17.
    »Hey, Leute, da ist er!«, ruft Robbie, der mich als Erster entdeckt hat.
    »Scheiße, wo warst du denn?«, pflaumt Christopher mich an. »Du kannst doch nicht einfach so abhauen!«
    »Du spinnst wohl! Wir haben uns tierische Sorgen gemacht!«, sagt Clarissa aufgebracht. »Ich wollte echt schon die Bullen anrufen!«
    »Regt euch ab«, brummele ich. »Man wird sich doch wohl noch ein bisschen die Beine vertreten dürfen. Ich brauche vor einem Auftritt eben meine Ruhe.«
    »Ach, seit wann das denn?«, will Christopher immer noch angesäuert wissen. »Letztes Jahr bist du nicht einfach verschwunden, da waren wir die ganze Zeit zusammen.«
    »Letztes Jahr war ja wohl auch nicht ganz so wichtig wie heute«, erwidere ich. »Ich hab das eben gerade mal gebraucht, ist doch wohl halb so wild, jetzt bin ich ja da.«
    Wobei meine Laune nicht viel besser geworden ist. Die letzten zweieinhalb Stunden habe ich unten am Main verbracht und bin ziellos durch die Gegend gelatscht, um den Kopf irgendwie freizukriegen. Hat leider nicht viel genützt. Aber was hilft’s? Jetzt gilt es, mich voll und ganz auf den Gig zu konzentrieren und mein Bestes zu geben, damit zumindest ich mir nichts vorzuwerfen habe.
    »Ja, gerade noch rechtzeitig«, knurrt Christopher. »In einer Viertelstunde fangen wir an.«
    »Dann sollten wir uns jetzt mal so langsam ins Backstage verkrümeln, oder?«, fragt Steffen. »Wird allmählich voll hier.«
    Er hat Recht. Bestimmt der halbe Jahrgang ist schon da.
    Wir verziehen uns in den Backstage-Bereich, der eigentlich keiner ist, da er sich nicht hinter der Bühne befindet. An der rechten Seitenwand der Halle befindet sich ein schmaler, länglicher Holzverschlag, der hauptsächlich als Lager für das Theater dient, in dem sich aber wohl auch die Schauspieler umziehen und vorbereiten, wenn hier Stücke laufen. Es gibt eine winzige Couch, zwei Hocker und einen Tisch mit einem Schminkspiegel darauf und jede Menge Krempel, der sich links und rechts an den Wänden türmt. Hier wäre für drei Leute schon zu wenig Platz. Zu fünft mit drei Gitarren fühlt man sich hier drin wie in einer Sardinenbüchse.
    Während Christopher, Robbie und Steffen mit Stimmen beschäftigt sind, sitze ich neben Clarissa auf der Mini-Couch und lockere stumm meine Handgelenke. Clarissa hakt sich bei mir unter und schmiegt sich an mich.
    »Ich hab mir echt Sorgen gemacht«, sagt sie leise. »Ist alles okay bei dir?«
    »Ja«, antworte ich kurz und knapp.
    »Du wirkst aber nicht so. Irgendwas stimmt doch nicht mit dir. Bedrückt dich irgendwas? Du kannst es mir ruhig sagen.«
    »Nein, alles okay.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe, ich muss mich warm machen.«
    Sie seufzt und löst sich von mir.
    Gott, ich hasse es, so zu ihr zu sein. Ich hasse es, sie gerade nicht so sehr zu lieben wie sonst. Aber ich kann irgendwie nicht anders, die Enttäuschung sitzt einfach zu tief.
    Sie greift nach einer Flasche Wasser, als es plötzlich an der Tür klopft.
    Robbie öffnet die Tür einen Spaltbreit und Linus schiebt seinen Kopf zu uns herein.
    »Ich sollte doch Bescheid sagen, wenn jemand kommt, der vom Alter her nicht nach Abiturient aussieht«, sagt er. »Eben ist gerade einer gekommen, hab ihn reingelassen.«
    »Was, echt? Wo?«, sagt Clarissa aufgeregt und hechtet zu Linus an die Tür.
    »Da drüben«, sagt Linus. »Steht gerade an der Bar. Hat gesagt, er wäre nur hier, um sich das Konzert anzusehen.«
    »Jungs, das muss er sein!«, quiekt Clarissa. »Los, kommt her!«
    Wir quetschen uns neben sie in den Türrahmen und spähen in Richtung Tresen. Stimmt, da sticht einer deutlich aus der Masse unserer Altersgenossen heraus. Der Typ ist schätzungsweise um die vierzig, trägt eine sehr coole schwarze Lederjacke und eine ebenfalls schwarze Brille mit breitem Rand. Das sieht eindeutig nach Musikbranche aus, das kann nur der Sony-Typ sein. Okay, Danny, jetzt gilt’s. Scheiß auf die Verrätergeschichte, das ist nicht wichtig, nichts ist wichtig, nur der Gig.
    Der Typ dreht seinen Kopf in unsere Richtung, wir ziehen uns ruckartig aus der Tür zurück und schließen sie wieder.
    »Fuck, er ist echt gekommen«, stellt Christopher fest.
    »Das klingt ja fast so,
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