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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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Band-Angelegenheiten manchmal ziemlich nerven. Wir treffen alle Bandentscheidungen demokratisch, und da wir zu fünft sind, müsste es eigentlich immer eine Mehrheit und somit einen Entschluss geben. Sollte aber Robbie bei einem Stand von 2:2 das Zünglein an der Waage sein, geht das gesamte Demokratiekonzept flöten.
    Wenn es zum Beispiel vor zwei Jahren bei der Auswahl unseres Bandnamens nach Robbie gegangen wäre, könnten wir heute genauso gut Bierdosen-Massaker oder Schleimbeutelentzündung heißen. Ja, das waren damals tatsächlich zwei ernst gemeinte Vorschläge. Nein, sie kamen nicht von mir. Mein Vorschlag war von Anfang an Auf die Ohren!, und so heißen wir heute noch – trotz Robbies chronischer Gleichgültigkeit. Davon einmal abgesehen ist er aber echt in Ordnung und musikalisch als zweiter Gitarrist ein solider Handwerker. Er steuert zwar kreativ so gut wie nie etwas zu unseren Songs bei, spielt aber genau das, was er soll – wahrscheinlich, weil es ihm egal ist, was er spielt. Dass es Steffen allerdings nicht egal ist, ob er mit oder ohne Plek spielt, sollte selbst Robbie mittlerweile klar sein.
    »Auf gar keinen Fall«, erwidert Steffen auf Robbies Vorschlag. »Ohne Plek fühle ich mich wie ein Krüppel.«
    Sag ich doch.
    »Dann eben nicht«, nuschelt Robbie und zuckt gleichgültig mit den Schultern.
    »Sorry, Jungs«, seufzt Steffen. »Das war’s dann wohl für heute. Zumindest für mich. Bis ich zu Hause und wieder zurück bin, ist es acht, das lohnt sich nicht.«
    Er streift sich seinen Bass über die Schulter.
    »Warte mal!«, sagt Christopher und schiebt seine Hand in die rechte Hosentasche. »Ich müsste eigentlich noch ein paar Pleks dabeihaben!«
    Na also. Auf Christopher ist Verlass. Immer und überall. Unter anderem deshalb ist er ja auch seit einem Jahr mein bester Freund. Eigentlich schon länger, wenn man es genau nimmt, aber bis vor einem Jahr dachte ich noch, Vinnie wäre mein bester Freund, doch das ist eine andere Geschichte. Vinnie ist jedenfalls abgehakt, er hat sich quasi selbst abgehakt, und zwar gründlich, als Freund und als Sänger unserer Band. Und ich vermisse ihn kein bisschen, auch dank Christopher.
    Wir haben die Band vor zwei Jahren gemeinsam gegründet. Christopher schreibt die Songs, ich die Texte, das passt absolut, wir verstehen uns musikalisch blind und auf persönlicher Ebene bestens. Wir stehen auf dieselben Bands, lieben dieselben Filme und sind fast immer einer Meinung, was Leute betrifft, die wir mögen oder nicht mögen – eine perfekte Freundschaft. Okay, manchmal nervt es ein bisschen, dass Christopher mit meiner kleinen Schwester Lisa zusammen ist, aber darüber darf ich mich eigentlich nicht beschweren, denn ich habe schließlich kräftig nachgeholfen, damit die beiden ein Paar wurden. Trotzdem, sie ist nun mal meine kleine Schwester, und durch Christopher sehe ich sie jetzt weitaus öfter, als man seine kleine Schwester normalerweise sehen möchte. Wenigstens hat sie mittlerweile ihren Plan aufgegeben, bei uns mitspielen zu wollen. Um Christopher näherzukommen, hatte sie nämlich angefangen, Gitarre zu lernen. Als das dann mit den beiden klappte, verlor sie aber zum Glück sehr schnell das Interesse am Üben und beschränkt sich musikalisch seitdem darauf, ihren Liebsten beim Proben stumm mitsingend schmachtend anzuhimmeln – ein Anblick, der mir zumindest heute erspart bleibt, sie hat Volleyballtraining.
    »Hier«, sagt Christopher und streckt Steffen seine offene Hand entgegen, in der drei Pleks liegen.
    Steffen greift sich eins nach dem anderen und verbiegt jedes kurz zwischen zwei Fingern.
    »Die sind ja alle weich«, stellt er enttäuscht fest. »Damit kann ich nicht spielen. Hast du kein hartes?«
    »Sorry«, sagt Christopher mit bedauernder Miene. »Die harten liegen zu Hause in meinem Basskoffer.«
    »Tja, es soll wohl heute nicht sein«, seufzt Steffen und zieht sein Tabakpäckchen aus der hinteren Hosentasche. »Ich dreh mir noch schnell eine für den Weg.«
    Als er das Päckchen öffnet und hineingreift, schaut er kurz komisch, dann breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus.
    »Da hast du dich also versteckt!«, sagt er und streckt uns triumphierend ein Plek entgegen. »Fragt mich bitte nicht, wie das da reingekommen ist.«
    Nicht nötig, ist doch völlig klar – er hat es selbst dort reingeschusselt.
    Steffen schnallt sich den Bass wieder um.
    »Alles klar, kann losgehen!«, sagt er und streckt mir einen erhobenen Daumen
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