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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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feststelle, dass der Sony-Typ nirgends mehr zu sehen und somit offenbar gegangen ist, ist es ganz vorbei mit meiner Laune. Was für ein verfickt beschissener Kackauftritt! Wir haben es total verbockt! Nein, ich habe es total verbockt! Ich habe nur Mist gespielt! Und warum? Weil ich tausend andere Sachen im Kopf hatte! Clarissa, die andere Band, den Sony-Typ – über so was darf man einfach nicht nachdenken, wenn man gerade Musik macht.
    Wenn man Musik macht, darf es einzig und allein um die Musik gehen, um nichts anderes. Und es kotzt mich an, dass ich das nicht hingekriegt und die anderen quasi im Stich gelassen habe. Eine Band ist nur so gut wie ihr schlechtester Musiker, und das war heute ganz eindeutig ich. Fuck! Fuck! Tausendmal fuck!
    »So, jetzt kommt unser letztes Lied!«, kündigt Clarissa an.
    Gott sei Dank, dann habe ich es endlich hinter mir. Ich will nur noch hier weg und mich möglichst zehn Meter tief vor der Schmach verstecken.
    »Der Text ist, wie übrigens alle unsere Texte, von unserem Schlagzeuger Danny«, fährt Clarissa fort. »Das Lied heißt Der Ausverkauf der Hosen, und genau darum geht es auch.«
    Mann, wie sehr ich mich auf die Premiere dieses Songs gefreut habe. Und jetzt will ich nur noch, dass er so schnell wie möglich vorbei ist. Immerhin verspiele ich mich diesmal nicht, aber das reißt es jetzt auch nicht mehr raus.
    Als das Lied zu Ende ist, ertönt sehr zu meinem Erstaunen tosender Applaus. Die klatschen? Nach dem Mist, den ich die ganze Zeit gespielt habe? Na ja, wahrscheinlich kennt jeder im Publikum irgendeinen von uns persönlich aus irgendwelchen Kursen und sie klatschen nur aus Höflichkeit. Oh nein, was soll das denn? Jetzt brüllen sie vor lauter Höflichkeit auch noch nach einer Zugabe. Fuck, hört doch auf damit! Erspart euch und vor allem mir das und lasst mich endlich diese Bühne der Schande verlassen.
    »Okay!«, ruft Clarissa. »Vielen Dank! Eins haben wir noch!«
    Seufz. Na gut, wenn’s sein muss. Aber was war noch mal gleich unsere Zugabe? Wir haben das Programm bei der letzten Probe noch mal geringfügig umgestellt und dabei die Zugabe geändert, oder? Ich werfe einen Blick auf meine Setlist. Stimmt, wir haben uns dann doch für Schrei nach Liebe als Zugabe entschieden, um auf Nummer sicher zu gehen. Als ob das jetzt noch was bringt. Egal, da muss ich durch, dann habe ich es endlich hinter mir.
    »Es ist ein Lied, das ihr mit Sicherheit alle kennt!«, skandiert Clarissa. »Und wir haben nichts dagegen, wenn ihr gleich mitsingt, so laut ihr könnt! Hau rein, Christopher!«
    Christopher fängt an, ich steige mit Robbie und Steffen zusammen ein und verhaue mich gleich wieder, kriege aber gerade noch so die Kurve. Die Leute singen von der ersten Zeile an tatsächlich aus vollem Hals mit. Wahrscheinlich sind die meisten schon sturzbesoffen und würden genauso enthusiastisch mitgrölen, wenn wir Alle meine Entchen spielen würden.
    Während meine Becken noch mit dem letzten Akkord nachschwingen, stehe ich bereits auf und verlasse die Bühne. Weg hier, nur weg hier. Das war der schlimmste Abend meines Lebens, mir ist richtig schlecht und ich bin scheißwütend auf alles und jeden und mich.
    Ich laufe los in Richtung Ausgang, komme aber nur sehr langsam voran, weil mich ständig irgendjemand festhält oder mir anerkennend auf die Schulter klopft. Lasst mich, ihr Heuchler, das Konzert war beschissen und das wisst ihr ganz genau.
    »Vielen Dank, ihr wart sensationell!«, höre ich Clarissa über die Anlage sagen. »Bevor wir uns für heute Abend verabschieden, hätte ich allerdings noch ein persönliches Anliegen in Form eines sehr persönlichen Songs, den ich für jemanden singen möchte, den ich sehr, sehr gern mag – auch wenn er manchmal, so wie heute, ein echter Vollidiot ist.«
    Ich bleibe ruckartig stehen.
    »Ja, ich meine dich, Danny Kleinschmidt«, sagt Clarissa. »Er war heute den ganzen Tag über scheiße drauf und unausstehlich und bis kurz vor dem Auftritt wusste ich nicht warum. Dann hat er mir gesagt, dass er denkt, wir hätten heimlich hinter seinem Rücken eine neue Band gegründet, was natürlich absoluter Schwachsinn ist.«
    Ich drehe mich zur Bühne um. Mark steht mittlerweile dort und schnallt sich Steffens Bass um, während Christopher seine Akustikgitarre nachstimmt.
    »Wir haben keine neue Band gegründet, Danny«, fährt Clarissa fort. »Wir haben nur diesen einen Song geprobt. Und wir haben dir nichts davon erzählt, weil es eine Überraschung
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