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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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und ihre Gitarre, das sind zwei Teile, die bewegt werden müssen. Bei mir sind es ganze sechzehn – Bassdrum, Fußmaschine, Snare, Snareständer, Standtom, Hängetom, Hängetom-Aufhängung, Hi-Hat, fünf Becken und drei Beckenständer. Okay, die fünf Becken passen alle in eine Beckentasche. In die Hand nehmen muss ich aber trotzdem jedes einzelne. Ach ja, und der Hocker, der gehört natürlich auch noch dazu. Und die Sticks, aber die will ich jetzt mal nicht mitzählen. Trotzdem, als Schlagzeuger hat man ganz eindeutig die Arschkarte gezogen, da kann man schon nicht mehr von Transport reden, das ist vielmehr ein Umzug.
    Eine halbe Stunde später ist alles im Bus verstaut und wir fahren los. Die Abi-Party findet in den Landungsbrücken Frankfurt statt, das ist ein Off-Theater in einer alten Industriehalle am Rand der Stadt. Ich stehe ja eigentlich so gar nicht auf Theater, aber Clarissa hat mich da mal mit hingeschleppt und es war echt sehr cool. Sie hatte dann auch die Idee, die Abi-Party dort stattfinden zu lassen, was zum Glück geklappt hat. Diese Halle ist nicht nur perfekt zum Feiern, sondern erst recht für ein Konzert.
    Dort angekommen fährt Kurt von hinten an die Halle heran, direkt vor eine große Metalltür, deren einer Flügel offen steht.
    Als wir die Halle betreten, herrscht dort reges Treiben. Einige Mädels aus dem Abi-Party-Komitee sind eifrig damit beschäftigt, die kahlen weißen Wände mit Fotos aller Abiturienten zu bekleben. An der Kopfseite der Halle ist bereits eine große Bühne für uns aufgebaut. Direkt über der Bühne hängt eine Batterie von Scheinwerfern und links und rechts stehen schon riesige PA -Boxen. Fuck, das sieht ja so richtig professionell nach Rock ’n’ Roll aus, verdammt geil! Ein bitzelnder Schauer kriecht über meinen Rücken und Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus.
    »Hey, da seid ihr ja schon!«, ruft Clarissa und kommt uns lächelnd entgegen. »Das ging ja schnell!«
    Sie drückt mir einen Kuss auf den Mund, den ich nur halbherzig erwidere. Irgendwie kann ich mich gerade nicht so richtig freuen, sie zu sehen, im Gegenteil. Meine Laune sinkt weiter Richtung Keller. Mit diesen Lippen hat sie gestern noch für die Verräterband gesungen, pfui! Und wieder etwas zum Runterschlucken.
    »Die Anlage steht so weit, ist auch schon alles angeschlossen«, sagt Clarissa. »Sollen wir euch beim Reintragen helfen?«
    Wir? Wer ist denn bitte schön wir? Drei Sekunden später sehe ich es. Mark taucht hinter dem großen Mischpult auf, das einige Meter entfernt gegenüber der Bühne steht.
    »Hey, Männer!«, begrüßt er uns winkend. »Alles klar bei euch?«
    »Was macht der denn hier?«, knurre ich zähneknirschend.
    »Oh, stimmt, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt«, sagt Clarissa. »Christopher hat Mark gefragt, ob er Lust hat, uns heute Abend abzumischen. Und er macht es! Super, oder? Ist doch viel besser, als wenn das irgendein Fremder macht, Mark kennt die meisten Songs ja noch in- und auswendig.«
    Na prima, dann wären ja alle Verräter beisammen. Wobei Mark eigentlich kein Verräter ist, denn er spielt ja nicht mehr bei uns. Ein Kollaborateur, das ist er. Was es auch nicht viel besser macht.
    »Ja, super«, brumme ich, drehe mich um und stapfe nach draußen zum Bus, um mein Schlagzeug auszuladen.
    Eine halbe Stunde später steht alles und wir sind bereit für den Soundcheck. Das Schlagzeug kommt zuerst dran und der Sound haut mich fast um. Das klingt wirklich bombastisch, so fett habe ich noch nie geklungen. Nachdem alle einzeln ausgesteuert wurden, sollen wir einen Song zusammen spielen.
    »Am besten euren lautesten, irgendwas, was richtig kracht!«, ruft Mark uns zu. »Spielt ihr noch Verräter? So was in die Richtung.«
    »Okay, dann spielen wir doch Verräter«, sagt Christopher.
    Du musst das nicht spielen, du bist einer. Runterschlucken, Danny. Alles runterschlucken.
    Wir spielen dreimal Verräter und zweimal Olaf, ständig unterbrochen vom üblichen Soundcheck-Geplänkel. Die Gitarristen finden sich zu leise, der Bass findet das Schlagzeug zu laut, die Sängerin hört sich nicht gut genug auf den Monitorboxen und der Mischer ist erst richtig glücklich, wenn er an jedem Regler zehnmal gedreht hat. Als wir fertig sind, ist zumindest der Sound auf der Bühne perfekt. Wie es vor der Bühne klingt, kann allein Mark beurteilen, aber er sieht sehr zufrieden aus.
    Als ich als Letzter von der Bühne steige, wartet Clarissa unten auf mich.
    »Das wird so
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