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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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Antwort kommt für mich einem absoluten Super- GAU gleich. Fuck! Da wäre es mir ja fast lieber gewesen, Clarissa und Christopher hätten sich kreuz und quer durch den Proberaum gevögelt.
    »Ist doch ganz klar«, ächze ich fassungslos. »Die haben heimlich eine neue Band gegründet. Hinter meinem Rücken. Ohne mich.«
    »Was? Glaubst du echt?«, fragt Lisa skeptisch.
    »Na klar, guck dir das doch an!«, zische ich sie an. »Christopher hat seine Gitarre dabei, Mark seinen Bass, sie treffen sich heimlich im Proberaum, offensichtlicher geht’s ja wohl nicht!«
    »Puh!«, seufzt Lisa auf und lässt sich auf den Boden sinken. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das erleichtert.«
    »Schön für dich«, knurre ich.
    »Ach komm, du bist doch bestimmt auch froh, dass zwischen Clarissa und Christopher nichts läuft.«
    »Bin ich nicht. Denn das war mir die ganze Zeit über klar. Aber dass die beiden ohne mich eine neue Band gründen, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Und das tut scheißweh.«
    Tut es wirklich. Meine Eingeweide sind ganz dicht zusammengerückt, mir ist richtig übel und meine Knie haben sich in Wackelpudding verwandelt. Ich begreife das einfach nicht. Mein Kopf wird von einer Horde Warums bombardiert. Warum gründet jemand eine neue Band, wenn mit der bereits existierenden und gut laufenden alten Band ein zukunftsträchtiger Auftritt direkt vor der Tür steht? Warum gerade jetzt? Und vor allem: warum ohne mich? Halten sie mich vielleicht für zu schlecht für ihre tolle neue Band? Oder für überflüssig? Ich meine, da scheint ja jetzt kein anderer Schlagzeuger dabei zu sein. Eine Band ohne Schlagzeug? Okay, soll’s ja geben. Aber dann hätten sie mir doch davon erzählen können. Warum diese Heimlichtuerei? Da muss doch mehr dahinterstecken.
    Ich werfe wieder einen Blick auf die Abtrünnigen. Sie stehen immer noch vor dem Eingang und unterhalten sich. Leider sind sie zu weit weg, um etwas zu verstehen.
    »Hat Christopher irgendwas gesagt in letzter Zeit?«, frage ich Lisa flüsternd. »Dass er keinen Bock mehr auf die Band hat oder so?«
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortet sie.
    »Eigentlich? Was soll das heißen, eigentlich? Dann hat er also was gesagt?«
    »Na ja, er war schon ein bisschen geknickt, dass ihr sein neues Lied abgeschmettert habt. Er komponiert in letzter Zeit viel mit der Akustikgitarre, mehr so langsamere Sachen. Aber nur für sich, hat er gesagt, das hätte mit der Band nichts zu tun.«
    Stimmt, das Balladen-Ding, das hatte ich schon total verdrängt. Und das fand Clarissa ja auch so gut. Aber das haben wir nicht abgeschmettert, das war eine ganz normale Bandentscheidung.
    Klar, es ist nie schön, wenn man viel Herzblut in einen Song gesteckt hat und er kommt dann nicht so gut an, wie man gehofft hatte. Aber das ist doch noch lange kein Grund, gleich eine neue Band zu gründen. Und mit welchem Ziel überhaupt? Wollen die beiden grundsätzlich lieber andere Musik machen? Und was bedeutet das dann für unsere Band? Wenn das mit der neuen Band gut läuft, steigen Christopher und Clarissa dann vielleicht bald bei uns aus? Dann könnten wir uns den Auftritt morgen auch gleich sparen. Oder sie nutzen den Gig nur dafür, um an den Sony-Typ ranzukommen. So nach dem Motto: Hören Sie mal zu, Herr Sony, wenn Ihnen dieses Punk-Geschrammel nicht gefallen hat  – wir hätten da auch noch eine andere, ernsthaftere Band, die volle und massentaugliche Balladen-Power. Da spielt dann auch dieser störende Schlagzeuger nicht mit, das wäre garantiert was für Sie!
    Das wäre allerdings eine Riesensauerei. Nein, das ist auch so schon eine Riesensauerei. Ich meine, wir sind ja nicht nur eine Band, wir sind ja auch befreundet, sehr gut befreundet, und in einem Fall sogar verliebt. Und derart hinterhältig behandelt man einfach keinen Freund und seinen Freund -Freund schon gar nicht. Was haben sie denn gedacht, würde passieren, wenn sie mir davon erzählen? Dass ich ihnen Freundschaft und Beziehung kündige? Das hätte ich natürlich nicht gemacht, so gut sollten sie mich eigentlich kennen. Natürlich wäre ich ein bisschen enttäuscht gewesen und hätte wahrscheinlich ein, zwei Tage lang die beleidigte Leberwurst gespielt, aber mehr auch nicht. Jetzt bin ich allerdings deutlich mehr als nur ein bisschen enttäuscht und zusätzlich auch noch stinksauer.
    Wie sie da stehen und lachen und sich wahrscheinlich gerade darüber unterhalten, wie gut es heute wieder gelaufen ist und dass es
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