Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
Schreibtischarbeit verrichtet und gelegentlich Tennis spielt. Auf dem Handrücken wuchsen vereinzelte schwarze Härchen, der Ehering war fast einen halben Zentimeter breit. War Armi mit diesen Händen erwürgt worden?
    »Risto, wenn du irgendetwas weißt, sag es!«, flüsterte Marita, als brächte sie die Worte kaum über die Lippen. Risto starrte sie an, sie rückte immer weiter von ihm ab.
    »Ich weiß überhaupt nichts, und ich hör mir den Blödsinn nicht länger an! Ich hol jetzt meinen Bruder aus dem Gefängnis!«, brüllte Risto und rannte hinaus. Marita sank auf den Besucherstuhl. Erst als Risto mit heulenden Reifen davongeprescht war, begann sie zu reden.
    »Es ist nicht so, wie du denkst, Maria. Risto schlägt mich nicht sehr oft. Er steht nur in letzter Zeit so unter Stress, seiner Firma geht es schlecht, wie allen anderen auch in diesen Zeiten … Er meint es nicht so, und ich bekomme ja so leicht blaue Flecken.«
    »Um Himmels willen, Marita! Das glaubst du doch selber nicht! Du brauchst Hilfe! Prügel darf man sich einfach nicht gefallen lassen. Misshandelt Risto auch die Kinder?«
    »Nein … Das würde ich nicht zulassen.« Marita schüttelte den Kopf, genau wie Antti es tat, wenn ihn etwas bedrückte.
    »Du weißt ja nicht, wie es ist. Die meiste Zeit ist Risto ganz nett. Und manchmal rege ich mich über irgendetwas auf und fange an zu keifen, und dann schlägt er.«
    »Nun gib dir nicht auch noch selbst die Schuld! Hast du mit jemandem darüber gesprochen?«
    »Ich hab vorgeschlagen, eine Familientherapie zu machen, damals, als Sanna gestorben ist und Risto so deprimiert war. Aber er wollte nicht, er hatte Angst um seinen Ruf. Hoffentlich weiß Antti nichts davon?« Offenbar war der Gedanke entsetzlicher für sie als die Möglichkeit, dass ihr Mann ein Mörder war.
    »Doch, er weiß es. Und er will mit dir reden.«
    »Und Vater und Mutter? Wissen die es auch?«, schluchzte Marita.
    »Nein. Hat Armi davon gewusst?«
    »Ja.« Marita schüttelte den Kopf. Es war seltsam, die Gebärde, die ich von Antti kannte, bei einem anderen Menschen zu sehen. »Armi hat mir die Familientherapie empfohlen. Sie meinte, dass Risto … geheilt werden kann. Prügeln wäre wie eine ansteckende Krankheit, Henrik hätte sie auf Risto übertragen, und Risto müsste behandelt werden, bevor er die Zwillinge ansteckt … und dann sagte sie noch, Sanna und Kimmo hätten andere Symptome entwickelt. Was hat sie damit wohl gemeint?«
    »Sanna hat sich immer Männer gesucht, die sie verprügelten wie ihr Vater. Liegt es an Henriks Gewalttätigkeit, dass er und Annamari getrennt leben? Ist Annamari deshalb so fahrig?«
    Marita nickte. In ihren Augen standen Tränen, die dunkelblaue Wimperntusche lief ihr über die blassen Wangen. Ich nahm ein sauberes Taschentuch aus der Schreibtischschublade und redete weiter:
    »Ich glaube, dass Sanna sterben musste, weil sie geheilt werden und aus dem Kreislauf von Hass und Demütigung ausbrechen wollte. Sie hatte es endlich gewagt, sich in einen Mann zu verlieben, der nicht darauf aus war, sie zu unterwerfen. Nur passte das irgendwem nicht ins Konzept.«
    »Meinst du Risto?«
    »Ich bin mir noch nicht sicher. Aber mit dem Prügeln muss jetzt Schluss sein, Marita!«
    Ich dachte an Antti, der von der Arbeit an seiner Dissertation erschöpft war, und überlegte, ob ich ihm diese Bürde aufladen durfte. Aber es ging ja um seine Schwester. »Sprich mit Antti. Er wird dir helfen. Geh am besten gleich zu ihm, um diese Zeit macht er meistens Pause.«
    »Vielleicht tu ich das wirklich.« Marita rieb sich die Augen und stand auf. Ihre Bewegungen verrieten Entschlossenheit.
    »Antti ist lieb«, sagte sie wie ein Kind. »Sei du auch lieb zu ihm.«
    »Bestell ihm Grüße von mir und sag ihm, ich bin spätestens um sieben zu Hause«, rief ich ihr nach. Ich trank den restlichen Joghurt und ergatterte im Konferenzzimmer das Endstück der Biskuitrolle. Zum Kaffeekochen hatte ich keine Zeit mehr, ich hoffte, bei Mallu eine Tasse zu bekommen.
    Um Punkt fünf Uhr klingelte ich bei ihr. Es war, als ob die Zeit stillstünde, auch auf dem Hof regte sich nichts. Nur die Klingel schallte durch Mallus Wohnung mit den blanken Wänden und dem unvollständigen Mobiliar. Keine Reaktion. Ich drückte noch einmal auf den Klingelknopf. Bei Armi hatte ich auch vergeblich geklingelt. Mir wurde plötzlich mulmig. Ich ging über den Rasen und spähte durch das Küchenfenster. Niemand zu sehen. Durch das große Wohnzimmerfenster an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher