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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
Autoren: Mark Hodder
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weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
    »Dann lassen Sie es mich klarstellen. Frank Baker ist ganz sicher nicht Ihr Name.«
    »Nicht?«
    »Ha! Also geben Sie zu, dass Sie unter Umständen nicht der sind, als der Sie sich ausgeben?«
    »Der Name kam mir in den Sinn, als ich gefragt wurde, aber ich bin keineswegs überzeugt davon, dass er stimmt.«
    Wieder zuckte Baker zusammen, als ein weiterer Einschlag den Raum erschütterte.
    »Na schön«, brüllte der Journalist. »Dann lassen Sie uns einander richtig kennenlernen. Ich wurde Ihnen als Mr. Wells vorgestellt. Vergessen Sie das. Solche Förmlichkeiten sind überflüssig. Mein Name ist Herbert. Herbert George. Kriegsberichterstatter für die Tabora Times . Die meisten Menschen nennen mich Bertie, Sie können es ruhig auch so halten. Jedenfalls, ich bin sehr froh, Ihnen zu begegnen.« Damit streckte er die Hand aus, die ergriffen und geschüttelt wurde. »Ehrlich, machen Sie sich wegen des Beschusses keine Sorgen, wir sind hier sicherer, als es den Anschein hat. Die deutsche Artillerie hat es eher auf die Versorgungsgräben als auf die Frontlinie abgesehen. Indem sie unsere Vorräte zerstören, gewinnen sie mehr als durch den Tod einiger Askaris .«
    Baker nickte knapp. Einen Moment lang bewegten sich stumm seine Lippen. Immer wieder blickte er auf die Mohnblume in seiner Hand, dann räusperte er sich und sagte: »Also kennen Sie mich? Meinen richtigen Namen?«
    »Ja, ich kenne Sie«, erwiderte Wells. »Ich habe die Biografien gelesen. Ich habe die Fotos gesehen. Ich weiß alles über Sie. Sie sind Sir Richard Francis Burton, der berühmte Entdecker und Gelehrte. Ich kann mich unmöglich irren.« Er trank einen Schluck Tee. »Nur ergibt das keinen Sinn.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie mir Mitte vierzig zu sein scheinen, mein lieber Freund. Allerdings haben wir 1914, und zufällig weiß ich, dass Sie 1890 an Altersschwäche gestorben sind.«
    Baker   – Burton   – schüttelte den Kopf. »Dann kann ich nicht derjenige sein, für den Sie mich halten«, gab er zurück. »Denn ich bin weder alt noch tot.«
    In diesem Augenblick endete die Welt mit einer entsetzlichen Erschütterung.
    *
    Für Thomas Bendyshe endete die Welt am Neujahrstag 1863. Er war als Sensenmann verkleidet, als er starb. Als unverblümter und überzeugter Atheist lauteten seine letzten Worte: »O Gott! O lieber Herr Jesus! Bitte, Maria Muttergottes, rette mich!«
    Die anderen Mitglieder des Cannibal Clubs schrieben diesen untypischen Gefühlsausbruch dem Umstand zu, dass eine Strychninvergiftung ein ausgesprochen qualvoller Weg ins Jenseits ist.
    Sie hatten sich in Fryston versammelt   – Richard Monckton Milnes’ Gutshaus in Yorkshire   –, um eine kombinierte Neujahrs- und Abschiedsfeier mit Kostümierung zu begehen. Der Abschied war nicht für Bendyshe gedacht   – sein Dahinscheiden kam völlig unerwartet   –, sondern für Sir Richard Francis Burton und seine Expedition, die noch in derselben Woche nach Afrika aufbrechen sollten.
    Das Gutshaus Fryston, das aus dem elisabethanischen Zeitalter stammte, besaß keinen Ballsaal, dafür verbargen sich hinter den Steinkreuzfenstern zahlreiche geräumige, eichenholzgetäfelte Zimmer, erwärmt von Kaminecken. Kostümierte Gäste füllten die Räume. Unter ihnen befanden sich präraffaelitische Künstler, führende Technokraten, Schriftsteller, Dichter und Schauspieler, Minister der Regierung, Beamte von Scotland Yard sowie Mitglieder der Royal Geographical Society. Auch eine Reihe hochrangiger Offiziere vom Luftschiff Orpheus Seiner Majestät gab sich die Ehre, und zur weiblichen Prominenz zählten Miss Isabella Mayson, Schwester Sadhvi Raghavendra, Mrs. Iris Angell und die berühmte Eugenikerin   – mittlerweile Genetikerin   – Florence Nightingale. Zusammen sorgten sie für eine gut besuchte Soiree, wofür Monckton Milnes bekannt war.
    Im Raucherzimmer verbrachte Bendyshe mit schwarzem Kapuzenumhang und Totenkopfmaske die letzten Minuten vor seinem Tod damit, vergnügt den griechischen Gott Apollo zu hänseln. Bei dem kleinen Olympbewohner mit den flammenroten Haaren handelte es sich in Wirklichkeit um den Dichter Algernon Charles Swinburne in einer Toga, mit einem Lorbeerkranz auf der Stirn und einem Eros-Pfeil mit goldener Spitze im Hosenbund. Er stand in der Nähe eines Erkerfensters bei Perserkönig Shahryār, Oliver Cromwell, dem Harlekin und einem Ritter; mit anderen Worten bei Sir Richard Francis Burton, Kriegsminister Sir
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