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Auf der Spur der Vogeljaeger

Titel: Auf der Spur der Vogeljaeger
Autoren: Stefan Wolf
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wohnte. Alte, aber schmucke Häuser lehnten sich aneinander, als wären die Mauern ermüdet. Die Gehsteige waren sauber gefegt.
    Vor dem kleinen Lebensmittelladen, der Gabys Mutter gehörte, sprangen sie von den Rädern. Die Wohnung lag im ersten Stock. Tarzan klingelte, aber Gaby zeigte sich nicht am Fenster.
    Stattdessen rief Frau Glockner herunter: »Tag, ihr beiden! Ich glaube, Gaby ist auf dem Hof.«
    »Guten Tag, Frau Glockner!«, sagte Tarzan freundlich. Dann fasste er Klößchen am Ärmel und zog ihn mit sich zum Hof.
    »Komm gefälligst! Ich kann mir denken, worauf du wartest.«
    »Was denn? Wieso denn? Weiß überhaupt nicht, was du meinst!«
    »Du weißt genau, dass sie dir Süßigkeiten und mir Obst schenkt, fast immer, wenn wir herkommen. Deine Verfressenheit lässt es tatsächlich zu, dass du stehen bleibst und darauf wartest.«
    Klößchen bemühte sich um eine unschuldsvolle Miene. »Du hast recht. Sie ist immer sehr großzügig. Daran habe ich im Moment gar nicht gedacht.«
    Gaby, genannt Pfote, war im Hof, saß vorgebeugt auf einer Bank und wandte ihnen den Rücken zu. Wie schimmernde Seide fiel ihr goldblondes Haar über die Schultern. Sie trug ihre hellblauen Jeans und einen blauen Pullover, der ihr etwas zu groß war. Sie sah entzückend darin aus.
    »Hallo!«, sagte Tarzan. »Schläfst du? Oder bewunderst du deine Hände?«
    Gaby wandte den Kopf. Sie lächelte flüchtig. Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst.
    Schalenförmig hatte sie die Hände zusammengelegt. Ein kleiner Vogel lag darin, eine Meise. Ein gebrochener Flügel war abgespreizt.
    »Sie ist mit voller Wucht gegen ein Fenster geflogen«, sagte Gaby. »Hat sich den Flügel gebrochen und kann nicht mehr fliegen. Wenn sie sich selbst überlassen bleibt, kommt sie um.«
    Die beiden Jungen traten nicht zu nahe, damit die Meise ruhig blieb.
    »Meinen Glückwunsch, Willi!«, sagte Gaby und lächelte Klößchen an. »Stimmt es, dass du das neue Lebensjahr mit guten Vorsätzen beginnen willst?«
    »Wer hat denn das Gerücht in die Welt gesetzt?«, fragte Klößchen verdutzt.
    »Tarzan erzählte, du willst ab sofort keine Schokolade mehr essen?«
    »Was? Ach, du nimmst mich auf den Arm. Das Gegenteil wäre richtig. Jetzt fange ich erst richtig an.«
    Sie lachten. Tarzan ließ es zu, dass Klößchen ihm in die Rippen boxte. Gaby nahm vorsichtig eine Hand von der Meise, griff in die Tasche und zog ein kleines Paket hervor. Klößchen strahlte, als er das Geschenk auswickelte.
    Es war eine Mundharmonika, ein sehr passendes Geschenk; denn Klößchen hatte kürzlich nebenhin erwähnt, er wolle Blockflöte oder Mundharmonika lernen.
    »Toll! Vielen Dank, Pfote!« Klößchen schüttelte ihr begeistert die Hand, setzte den Mundhobel an die Lippen und brachte einige Quietschtöne heraus.
    Die Meise piepste verängstigt.
    »Das strengt wenigstens nicht an. Weißt du, was ich von Tarzan gekriegt habe? Ein Sprungseil. Als wäre ich nicht schon der beste Springer der Schule.«
    »Des Landes!«, bemerkte Tarzan trocken. »Gaby, was geschieht nun mit der Meise?«
    »Ich weiß nicht.«
     
    »Am klügsten wäre es, wir bringen sie ins Institut für Vogelkunde. Dort werden kranke Vögel gesund gepflegt.« »Tolle Idee.« Gaby stand auf.
    »Dann könnten wir auch gleich mit Herrn Reitz, dem Institutsleiter, sprechen«, meinte Tarzan zu Klößchen. »Der hat nämlich den Zeitungsartikel über die Trophäen-Bande verfasst.«
    »Worüber?«, wollte Gaby wissen.
    Die Jungen erzählten ihr, was sie erlebt hatten. Gabys blaue Augen funkelten empört. Ihre Tierliebe war in der Schule schon sprichwörtlich. Wenn es um das Wohl der Tiere ging, schlug sie sich wie eine Löwin. In der Schülerzeitung, an der sie mitarbeitete, hatte sie erst kürzlich einen viel beachteten Artikel gegen die blutige Jagd auf die Robben-Babys in Kanada veröffentlicht.
    ...ist es nicht eine Schande für jeden tierliebenden Menschen, hatte Gaby geschrieben, dass jedes Jahr 100000 Robben-Babys brutal erschlagen werden – damit 5000 Seehundmäntel hergestellt werden können...?
    Im weiteren Verlauf des Artikels hatte sie alle Mitschüler aufgefordert, auf ihre Mütter einzuwirken, damit keine aus Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit einen Seehundmantel kauft.
    Sie gingen in die Wohnung hinauf. Oskar, Gabys schwarzweißer Cockerspaniel, begrüßte seinen Freund Tarzan, indem er wie ein Gummiball an ihm hochsprang und mit allerlei Tricks versuchte, ihm das Gesicht zu lecken.
    Gaby hatte ihn vor
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