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Auf der Flucht

Auf der Flucht

Titel: Auf der Flucht
Autoren: Hellmuth Karasek
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Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten? Ihre Zuneigung. Charme, Witz, Intelligenz.
    Ihre Lieblingstugend? Geduld – die anderer mit mir.
    Ihre Lieblingsbeschäftigung? Finden.
    Wer oder was hätten Sie sein mögen? Vor Schaden klüger.
    Ihr Hauptcharakterzug? Unruhe.
    Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten? Dass ich nicht in Not bin.
    Ihr größter Fehler? Mit neuen Schuhen verreisen.
    Ihr Traum vom Glück? In meine Anzüge von vor zwanzig Jahren passen.
    Was wäre für Sie das größte Unglück? Keine Hoffnung mehr zu haben.
    Was möchten Sie sein? Jung, schlank und begehrenswert.
    Ihre Lieblingsfarbe? Technicolor.
    Ihre Lieblingsblume? Durch die ich sprechen kann.
    Ihr Lieblingsvogel? Die Taube in der Hand und der Spatz auf dem Dach.
    Ihr Lieblingsschriftsteller? Flaubert.
    Ihr Lieblingslyriker? Der Volksmund, der Toilettenwände und Poesiealben voll schreibt.
    Ihre Helden in der Wirklichkeit? Die Dokumentaristen des »Spiegel« –Archivs.
    Ihre Heldinnen in der Geschichte? Die Salondamen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts.
    Ihre Lieblingsnamen? Schall und Rauch.
    Was verabscheuen Sie am meisten? Deutsche Schlager, Mundgeruch und Langeweile.
    Welche geschichtlichen Gestalten verachten Sie am meisten? Künstler und Intellektuelle um Hitler.
    Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten? Den Krieg der Geschlechter, die Niederlagen der Tugend, die Siege der Vernunft.
    Welche Reform bewundern Sie am meisten? Die künftigen.
    Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Vergessen, was ich vergessen, mir merken, was ich mir merken will.
    Wie möchten Sie sterben? Eigentlich überhaupt nicht.
    Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Chaos gebändigt durch aufgeklärte Despotie.
    Ihre Motto? Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.

»Machen Sie sich nicht so klein.
    So groß sind Sie gar nicht.«
    Karl Kraus
     
    Mein Fragebogen ist also knapp zwölf Jahre alt, auch damals war ich, wie man so unschön sagt, »nicht mehr der Jüngste«, obwohl ich es, wie manche Antworten nahe legen, noch gerne sein, oder sollte ich sagen: spielen wollte. Ich will darauf nur mit einem Beispiel eingehen, nämlich mit der Frage »Was möchten Sie sein?« Und meine Antwort: »Jung, schlank und begehrenswert.« Würde ich heute noch so antworten? Mir fällt eine Geschichte ein, die kürzlich Claus Jacobi, einer der Ex-Chefredakteure des »Spiegel«, erzählt hat, er allerdings in einem politischen Kontext, nämlich dem, ob Angela Merkel denn nicht angesichts des Machtverfalls Schröders bei jeder Landtagswahl und bei jeder Umfrage jetzt unmittel bar die Kanzlerschaft anstrebe.
    Jacobis Geschichte jedoch ist gerontophobisch, weil sie dem Alter gnadenlos seine Schwächen um die Ohren schlägt. Und ich finde, sie korrespondiert mit meiner damaligen Antwort aus heutiger Sicht. Sie erzählt von einer Firma, in der der alte, längst aufs Altenteil versetzte Chef noch ab und zu im Büro ist, wobei er einer jungen, besonders hübschen Azubi den Hof macht – so lange, bis sie ihm sagt: »Seien Sie vorsichtig! Sonst erhöre ich Sie!«
    Eine zweite Frage, nämlich die ernsteste Frage (»Wie möchten Sie sterben?«), die wegen ihres Todernstes zu besonders unernsten Ausflüchten reizt, hatte ich damals aussichtslos ehrlich beantwortet: »Am liebsten überhaupt nicht.« Nicht, weil die Zeit inzwischen weiter an mir genagt hat, sondern wegen des gewandelten Zeitgeistes würde ich diese Antwort heute nicht mehr wagen.
    »Am liebsten überhaupt nicht« – klingt das nicht auf einmal in Zeiten der auf den Kopf gestellten Alterspyramide, der Kinderlosigkeit nächster Generationen, der ins Uferlose wachsenden Kosten der Pflegeversicherung, der Aussicht, dass immer mehr Alte immer älter werden, wie der blanke Hohn, wie eine furchtbare Drohung?
    Friedrich II, den ich in diesem Zusammenhang ungern »den Großen« nennen würde, soll seine Soldaten mit dem Ruf »Hunde, wollt ihr ewig leben!« in den Heldentod der Schlachten gescheucht haben. Die meisten waren dabei wohl noch jung, schlank und begehrenswert. Meine Antwort auf die Frage »Wie möchten Sie sterben?« würde ich heute so geben: »Wenn schon, denn schon!« oder »Auf der Flucht – vor dem Tod.« Aber ich merke, auch das ist nur ein Pfeifen im dunklen Wald.
    Und schließlich das Motto: »Glücklich ist« usw. aus der »Fledermaus«. »Vergessen«, das ist so eine Sache. Im Alter ist das keine Tugend mehr, sondern die
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