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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Panflöte?“
    „Ja, genau
der, aber dann hätte er auch noch Ziegenhörner und Ziegenfüße haben müssen. Da
habe ich jetzt gar nicht drauf geachtet. Hast du da etwas bemerkt? Behaart
genug war er ja.“
    „Das scheint
mal ausnahmsweise ein lustiger Gott zu sein.“
    „Nicht
immer, manchmal tauchte er plötzlich in der Mittagsstille auf und hat dann den
nach ihm benannten panischen Schrecken verbreitet.“
    „Da haben
wir ja mal wieder Glück, dass es schon Nachmittag ist. Aber der dort war ein
braver Mann, der macht es richtig und lässt sich Zeit, der macht keine Panik.“
    Schon nach
einigen hundert Metern kommen wir an ein sehr altes und ziemlich verwahrlostes
Gebäude. Das muss nach dem Pilgerführer die „Venta del Puerto“ sein, ein
mittelalterliches Pilgerhospiz, das jetzt nur noch als Kuhstall dient. Ein
Blick ins Innere bestätigt unsere Vermutung. Zwar sehen wir dort keine Kühe,
aber auf dem Boden liegt ein weicher, richtig dicker Teppich aus altem, längst
verrottetem Kuhmist. Nicht dieser Kuhmist, sondern das uralte Gebälk erregt
unsere Neugier. Wir wollen es uns genauer ansehen, aber vorher erst mal Wasser
trinken.
    „Horch, was
ist das für eine Musik? Da spielt doch jemand Flöte. Wer ist denn das?“
    Ja, da
spielte jemand Flöte, die Töne kamen auf dem Pfad, den wir gerade gegangen
waren, langsam näher, aber man konnte wegen der vielen Windungen des Pfades
noch niemanden sehen. Und welch’ eine Musik, welch ein Zauber durchflutet da
Busch und Baum! Natürlich, da spielt jemand Mozart. Und da kommt auch schon
Pan, unser Franzose, auf dem Pfad daher, schlendert locker auf uns zu, setzt
sich zu uns und spielt weiter. Wir hören fasziniert zu. Man merkt, dass hier
einer sein Instrument meisterhaft beherrscht, in sein Instrument und seine
Musik verliebt ist. Wir lauschen und sind entrückt, die Schuhe drücken nicht
mehr, der Rücken schmerzt nicht mehr, Zeit fließt in Ewigkeit. Dann hört er
auf, lächelt sein geheimnisvolles, sphinxhaftes Lächeln — und besichtigt mit
uns den Kuhstall.
    Ein paar
Etappen später erst, in einer Herberge, erfuhren wir, dass es sich bei ihm um
den Flötisten eines Pariser Kammermusik-Orchesters handelte. Damals blieb er
noch an der „Venta del Puerto“ zurück, um etwas zu essen. Ich habe ihn nie mehr
gesehen. Ich werde sein Spiel nie mehr hören.
     
     

Nachdenklichkeiten
auf der Tollwutbrücke von Zubiri
     

    Von der
„Venta del Puerto“, unserem Kuhstall, gehen Heinz und ich weiter abwärts und
stoßen schon nach kurzer Zeit an den Río Arga, kein Bach mehr, sondern schon
ein Flüsschen, aus den Pyrenäen kommend, kalt und wasserreich. Zum Dorf Zubiri
hinüber, auf die andere Seite des Arga, führt eine alte gotische Brücke, die
„Puente de la Ra-bia“, die Tollwutbrücke.
    Unserem
Pilgerführer können wir entnehmen, dass man Haustiere dreimal den Mittelpfeiler
umkreisen lassen muss, um sie vor der Tollwut zu bewahren. Da lehne ich mich
dort, wo dieser Mittelpfeiler steht, über das Brückengeländer, schaue in die
Fluten des Arga hinunter und denke mir, dass das Umkreisen des Mittelpfeilers
mit Haustieren bei dem kalten und reißenden Wasser des Arga wohl seine Umstände
machen wird. Mit Enten und Gänsen mag es ja angehen, wenn man sie an die Leine
nimmt, damit sie nicht schon davonschwimmen, bevor die Methode anschlägt. Aber
schon bei Katzen wird es wohl ein großes Miauen geben. Hühner werden sogar auf
der Stelle ersaufen, gewiss der zuverlässigste Schutz gegen Tollwut. Und
Pferde, Ochsen und Kühe, so überlege ich weiter, werden auch keinen Freudentanz
um den Mittelpfeiler aufführen. Ob die Geschichte auch bei Menschen hilft,
konnte wohl nie zuverlässig erprobt werden, denn viele, die die Haustiere durch
das eiskalte Wasser des Arga zogen, dürften sich eine Lungenentzündung
zugezogen haben und dann hieran verstorben sein.
    Aber dann
denke ich mir, dass ich meine Skepsis ablegen sollte, nachdem diese Sache ja
doch über Jahrhunderte hin erprobt wurde. Und so kommt mir auch der Gedanke,
dass der große Naturwissenschaftler Louis Pasteur sich mit der Entwicklung
einer Schutzimpfung gegen die Tollwut nicht so viel Mühe hätte machen müssen,
wenn das hier bei Zubiri so einfach ist, nur weil in den Bogenpfeiler der
Brücke die Reliquien der heiligen Quiteria eingemauert sind. Nur, so drängt es
sich mir wiederum auf, würde das schon eine größere Sache werden, wenn man aus
ganz Europa alle gefährdeten Haustiere nach Zubiri bringen
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