Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
Vom Netzwerk:
integriert, wenn ich in meinen Texten Berliner Straßensprache spreche und die Sprache, die die Jungs auf dem Bau sprechen, egal, ob Türken, Moslems oder Deutsche? Offensichtlich ja.
    Bin ich integriert, wenn ich Steuern bezahle, bei Rot an der Ampel halte, die Gesetze dieses Landes respektiere und am Freitag in die Moschee zum Beten gehe, weil ich denke, dass Allahs Gesetze über den von Menschen gemachten Gesetzen stehen? Man kann es nicht sagen.
    Bin ich integriert, wenn ich mit Verbrechern und Dieben abhänge, die allesamt Banker und Börsenspekulanten wären, wenn sie in einem anderen Stadtteil geboren worden wären? Schließlich besitzen sie die gleiche Art von Energie, die gleiche Gewandtheit, die gleiche Schlauheit und die gleiche Skrupellosigkeit. Nein, bin ich nicht, denn das sind Verbrecher und Abhängen mit Verbrechern ist ein Integrationshemmnis.
    Bin ich integriert, wenn ich in meinen Texten frauenverachtende Sprüche geklopft habe, wie sie auf jeder deutschen Baustelle geklopft werden und in jedem deutschen Büro und in jeder deutschen Vorstandsetage der deutschen Wirtschaft, in der nach wie vor überraschend wenig Frauen zu finden sind? Nein, denn das macht man nicht öffentlich.
    Bin ich integriert, wenn ich jetzt mit einer gebildeten, starken, emanzipierten und selbstbewussten Frau verheiratet bin? Wer kann das sagen?
    Was also ist diese Integration? Was wollen die Deutschen von uns? Was wollen wir Deutschen von den Ausländern? Was soll sich denn ändern, damit wir von einer gelungenen Integration sprechen können? Im Café Tee trinken und Deutsch sprechen? Arabisch sprechen, arbeiten gehen und Schweinefleisch essen? Kopftuch tragen und Medizin studieren? Kein Kopftuch tragen und als Gemüsehändlerin im Familienbetrieb an der Kasse sitzen? Einfach mal den Ausländern das Gefühl geben, dass sie willkommen sind? Einfach mal akzeptieren, dass wir hier sind und auch nicht mehr weggehen können, weil wir schon längst Deutsche sind? Einfach mal verstehen, dass es so etwas wie den biologischen Deutschen gar nicht gibt, nie gegeben hat und auch nicht geben wird?
    Ich weiß es nicht. Anfangs dachte ich, dass sich die anderen Fragen von selbst klären würden, wenn ich dieser grundsätzlichen Frage nachgehe, doch die Wahrheit ist, dass bei jeder Antwort zehn neue Fragen auftauchen und tausend verschiedene Gedanken, Aspekte und Geschichten. Geschichten, die ich erlebt habe, die ich gehört habe, von denen ich gelesen habe, sodass ich manchmal denke, dass sich das niemals auflösen wird.
    Ich höre, dass Herr Sarrazin mit seinen verrückten Thesen von Vererbung und religionseigenen Eigenschaften einen Bestseller schreibt, weil das Thema anscheinend sehr vielen Menschen in diesem Land auf der Seele brennt, und ich lese, wie Frank Schirrmacher von der FAZ diesem Thilo Sarrazin widerspricht, aber ich höre niemanden, der mit den Leuten auf der Straße redet. Leute, die es tatsächlich betrifft. Leute, die vielleicht noch mit dem Namen Sarrazin etwas anfangen können, obwohl sie sein Buch natürlich nie gelesen haben, denen aber ein Frank Schirrmacher gar nichts sagt und die in ihre Handys brüllen: »Was Sarrazin? Wer ist dieser Sarrazin, ich ficke ihm. Und wer ist dieser Schirrmacher? Ich ficke ihm auch.«
    Ich sehe, wie meine Kumpels im Sumpf der Antriebslosigkeit versinken, weil sie genau wissen, dass sie weder mit Hauptschule noch mit dem mittleren Schulabschluss zu einem Beruf und damit zu Geld kommen. Ich sehe, wie sie »Absturz auf ihr Leben haben«, weil sie niemals gesagt bekommen haben, dass ihr Leben etwas wert ist, dass sie wichtig und wertvoll sind für diese Gesellschaft und dass sie – und jetzt kommt’s – selbstverständlich willkommen sind in diesem Land. Ich sehe, wie sich Leute in ihre Träume von irgendwelchen fernen Heimatländern vergraben, ohne je dort gewesen zu sein oder dort gelebt zu haben, weil sie niemals das GEFÜHL bekommen haben, dass sie vom deutschen Staat, der deutschen Gesellschaft, den Deutschen an sich, gemocht werden.
    Ich sehe aber auch, wie sich ebendiese Typen in der Öffentlichkeit aufführen, wie sie Deutsche beleidigen und Opfer suchen und sich generell so verhalten, dass die Deutschen, die deutsche Gesellschaft und der deutsche Staat, diese Typen gar nicht mögen können.
    Ich sehe, wie sich diese ganze Geschichte in einer einzigen großen Spirale nach unten bewegt, wie sich Missverständnis an Missverständnis reiht und wie eines auf dem anderen aufbaut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher