Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
Vom Netzwerk:
denn jedes Ding hat seine Ursache und nichts passiert ohne Grund.
    Ich sehe, dass die Ausländer jahrzehntelang als Gastarbeiter behandelt wurden und noch bis in die 1990er-Jahre der Traum aufrechterhalten wurde, diese Menschen würden irgendwann einmal zurück in ihre Heimat gehen. Ich kenne junge Männer, denen noch von ihren Eltern erzählt wurde, dass sie auf die deutsche Schule scheißen könnten und dass es nicht wichtig sei, Deutsch zu lernen, weil die Familie ja sowieso bald wieder zurück in die Türkei gehen würde. Wenn nicht heute, dann doch morgen oder übermorgen. Gegangen sind sie nie. Sie sind immer noch hier, sprechen ihre kaputten Sprachen, weil sie keine richtig gelernt haben, und versuchen sich mit Dies und Das über Wasser zu halten.
    Ich sehe diese unglaubliche Verschwendung von menschlichem Potenzial, menschlicher Kreativität, Ideenreichtum und Energie, die sich unser Land eigentlich gar nicht leisten kann. Im Grunde ist es ein Unding, wenn Leute, die den Willen und die Kraft haben, erfolgreich zu sein, Berufsverbrecher werden, weil sie als eines von neun Kindern einer libanesischen Flüchtlingsfamilie nie und nimmer die Chance auf ein Studium und eine Karriere in der Wirtschaft haben.
    Jeder ist seines Glückes Schmied und jeder ist für seinen ganz eigenen Lebensentwurf verantwortlich, doch nirgendwo sind diese Weisheiten falscher als in diesem unseren Land, wenn ich lese, dass an deutschen Hochschulen immer noch überwiegend die Kinder von Akademikern studieren.
    Und ich sehe, dass die Deutschen gerne unter sich bleiben würden, in ihren Kleinfamilien, als unverbindliche Singles, immer einsatzbereit in dieser turbokapitalistischen Gesellschaft mit einem heimlichen neidischen Auge auf die arabische Großfamilie und die mediterrane Gemütlichkeit im Kaffeehaus.
    Ich sehe die Widersprüche und das Konfliktpotenzial. Ich sehe aber auch die Annehmlichkeiten und die Herzlichkeit, die es ebenfalls gibt, und ich glaube an dieses Land mit seiner Toleranz und seiner Freiheit. Ich glaube an den guten Willen und an die Menschen, die mir trotz all der oben aufgeführten Fragen und Probleme auch jede Menge gute Momente bescheren.
    Von all diesen widersprüchlichen Gedanken, diesen Ideen und Beobachtungen handelt dieses Buch und davon, warum mir der Integrationsbambi tatsächlich nicht gehört, sondern all denen, die tagtäglich dieses Land ausmachen, es mit Leben füllen und so lebenswert machen, wie es im Endeffekt ist.
    Dieses Buch ist ein Gesprächsangebot und mein Beitrag zu einer Debatte, die viel zu lange ohne die tatsächlich Betroffenen geführt wurde. Dieses Buch handelt von dem Land, in dem ich lebe und das ich liebe. Dieses Buch handelt von Deutschland. Meinem Deutschland. Unser aller Deutschland und statt »Deutschland schafft sich ab« bin ich viel eher der Meinung: »Deutschland schafft das!« Wenn wir es wollen. Wenn wir mal ohne Übertreibungen und Panikmache darüber reden. Wenn wir uns dieses Ziel setzen.
    Genau daran glaube ich und ich glaube auch, dass wir im Grunde ganz schön stolz sein können auf dieses Land und auf das, was wir bisher geschafft haben. Ich zumindest bin es. Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Yo!
    Anis Mohamed Youssef Ferchichi aka Bushido

Teil 1
Fremd im eigenen Land

Mama
    Meine Mutter wurde in einem Dorf bei Würzburg geboren. In Franken. Sie war eines von fünf Geschwistern und immer die Außenseiterin. Sie war das ungeliebte Kind, dem man alles, was schlecht läuft, in die Schuhe schiebt. Auf das man den Hass konzentrieren kann, wenn man mal genervt ist – sie hatte wirklich kein leichtes Leben.
    Meine Oma hat meine Mutter immer schlecht behandelt, ohne wirklichen Grund. Sie war das Aschenputtel, und das nicht nur bei ihrer Mutter, auch bei ihren Geschwistern. Die haben sich das wahrscheinlich bei ihrer Mutter abgeguckt und haben sich gedacht, okay, die wird rumgeschubst, also schubsen wir sie auch rum.
    Darüber wurde in der Familie meiner Mutter aber nie geredet, obwohl meine Mutter wirklich viele Fragen hätte. Es wird einfach totgeschwiegen. Das war einfach so, dann war es halt so.
    Als meine Oma kürzlich für ein paar Tage da war, hat meine Mutter versucht, mit ihr über dieses Thema zu sprechen, aber da kommt nicht viel. Meine Oma hat da richtige Scheuklappen auf und im Endeffekt gibt sie sogar meiner Mutter noch die Schuld und behauptet, dass sie eben ein schwieriges Mädchen gewesen sei. Schließlich hat es meine Mutter aufgegeben. Sie wollte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher