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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund
Autoren: Peter Lindenthal
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Fenster aus sah, wie ich die mit Brombeergestrüpp umwucherte Ruine umkreiste und fotografierte, neugierig näher kam, entspann sich ein Gespräch zwischen uns, zu dem sich später seine Frau Yolande gesellte. Es war elf Uhr dreißig am Vormittag und unsere Unterhaltung sollte erst am späten Nachmittag enden. Dazwischen lagen ein gemeinsames Mittagessen und nachher die Suche und Freilegung der seit Jahren versandeten und zugewachsenen Jakobsquelle im Unterholz unweit der Kapelle. Die Ruine -mein Instinkt hatte mich wieder einmal sicher geleitet - entpuppte sich als Jakobskapelle an der alten Römerstraße und somit als eindeutiger Hinweis auf den mittelalterlichen Jakobsweg.

    Inzwischen ist Jean-Yves zum Mitbegründer einer kleinen Jakobsbruderschaft geworden, hat die Restaurierung der Kapelle in die Wege geleitet, sammelt Spenden dafür und ist gemeinsam mit Yolande dabei, in einem Nebengebäude ihres Anwesens eine Pilgerherberge einzurichten. Das nenne ich eine folgenreiche Begegnung!
    Ich komme also zu Freunden, die mich mit offenen Armen und voller Freude empfangen. Auf die Nachricht von Ajiz’ Tod, den sie ja kannten, reagieren sie voller Anteilnahme und Betroffenheit - sie sind selber Hundebesitzer. Auch das tut mir gut. Zur Feier des Tages fährt Jean-Yves mit mir nach CHÂTELAUDREN zurück und holt aus ihrer Lieblingspizzeria köstliche Holzofen-Pizze fürs Abendessen. Rotwein ist ja wie in jedem anständigen französischen Haushalt immer in ausreichender Menge und Qualität vorrätig. Der Abend mit den beiden verläuft entsprechend angenehm, wir haben uns viel zu erzählen, die Gespräche ziehen sich bis weit in die Nacht. Aber das macht nichts, das sind die Sternstunden eines Pilgerlebens - und ich genieße sie in vollen Zügen!
    Die Pilgerherberge ist noch eine Baustelle, deshalb richten sie mein Bett im Zimmer ihres Sohnes her, der nicht mehr bei ihnen wohnt. Es ist Vollmond, der Himmel sternenklar, am Fenster stehend rauche ich noch meine Gute-Nacht-Zigarette und denke mir: Jetzt passt’s!
     
    Ajiz der Erste
     
    Unsere gemeinsame Geschichte begann lange bevor Ajiz in mein Leben trat. Schon als Kind liebte ich Tiere über alles, aber da wir neun (!) Geschwister waren, konnte ich meinen Eltern nicht böse sein, wenn sie jeden Wunsch nach einem Hund im Haus schon im Keim erstickten. Eine Katze, Mitza, schaffte es dann doch, sich ins Haus und in unser aller Herzen zu schmuggeln, und mein jüngster Bruder Johannes brachte es sogar zu einem Goldhamster, über dessen Tod er bittere Tränen vergoss. (Heute kann ich das sehr gut nachvollziehen.) Er konnte und wollte nicht verstehen, dass ein Hamsterleben so viel kürzer ist als unseres. (40 Jahre später erging es mir beim Tod von Ajiz ebenso...) Aber ein Hund im Haus -niemals!!
    Nach der Matura ging ich für ein freiwilliges Sozialjahr nach Guatemala, um dort in einem Team von Entwicklungshelfern mitzuarbeiten, das ein deutscher Priester in Zunil, einem Indianerdorf im Hochland, aufgebaut hatte. Wir lebten im Pfarrzentrum, wie eine große Familie, zu der natürlich auch Haustiere gehörten: Hühner, Katzen, der Waschbär Pachuca (an einer langen Laufleine, sonst wäre es schnell mit dem Luxus von täglichen Frühstückseiern zu Ende gewesen), ein sprechender Papagei, und zu meiner Begeisterung auch zwei Hunde, Ninoschka und ihr Sohn Ajiz (der Erste). Im Alter von 18 Jahren fand meine Hundeliebe nun doch ein lebendiges Gegenüber! Dieses Jahr in Guatemala gehört zu den wichtigsten in meinem Leben, ich wurde dort zum Erwachsenen (oder fast) und zu einem politisch denkenden Menschen. In diesem Jahr erfolgte die Weichenstellung für meine Studien- und Berufswahl, letztlich auch für meinen Lebensweg. Aber es war auch, vor allem zu Beginn, eine sehr schwierige Zeit. Ich hatte meinen Platz im Team zu finden, Heimweh und Einsamkeit setzten mir in den ersten Monaten stark zu. Damals erwies sich der Schäfermischling Ajiz als guter Freund, der die Liebe, die in mir schlummerte und gelebt werden wollte, dankbar annahm - und sie mir auch zurückgab. Bei den Wanderungen auf die umliegenden Vulkane (Guatemala ist atemberaubend schön!), die ich mit der Ministrantengruppe unternahm, war er immer dabei, und wenn wir länger als einen Tag ausblieben und in Indianerhütten übernachteten, diente er mir als Kopfkissen.
    Entsprechend schwer fiel mir dann auch der Abschied von ihm, als ich nach einem Jahr wieder nach Österreich zurückkehrte. Er fiel mir überhaupt schwer,
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