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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund
Autoren: Peter Lindenthal
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letzte große Reise - ins Jenseits -, die nicht nur in der griechischen Mythologie über einen Fluss führt. Die christliche Legende vom hl. Christophorus, der das Jesuskind über einen Fluss trägt, übernimmt dieses Bild. So überrascht es nicht, dass wir noch auf Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert den neben Jakobus wichtigsten Wegpatron der Christenheit, den hl. Christopherus, mit einem Hundskopf dargestellt sehen, Fährmann und hündischen Begleiter in einer Person vereint!

    Wenn wir nun, zurück zum Jakobsweg, bedenken, dass der sündenbeladene Mensch auf seiner Pilgerfahrt nach Finisterra, ans Ende der Welt, dorthin, wo die Sonne untergeht, wie diese einen symbolischen Tod stirbt (heute noch verbrennen dort die Pilger als äußeres Zeichen dafür ihre Pilgerkleidung), bevor er von seinen Sünden befreit als neuer Mensch aufersteht, ergibt das Bild des Hundes als Begleiter des Pilgerapostels einen verblüffenden neuen Sinn.
    Wir erkennen also eine markante Linie, die sich von der ägyptisch-griechischen Epoche bis herauf ins hohe Mittelalter zieht und stets den 25. Juli zum Ausgangs- bzw. Endpunkt hat, jenen Tag, an dem der Pilgerapostel Jakobus gefeiert wird. Wenn wir uns dann noch daran erinnern, dass die jahrhundertealte Tradition der Jakobspilger, am berühmten Cruz de Ferro, dem eisernen Kreuz in den Montes de Leon, einen Stein niederzulegen, identisch ist mit dem heidnischen Brauch, Hermes und/oder Merkur durch das Niederlegen eines Steines zu deren Füßen um Schutz für die gesunde Heimkehr von einer Reise zu bitten, tritt der Zusammenhang noch deutlicher zutage. Auch die Kelten pflegten (und pflegen) diesen Brauch, was uns vermuten lässt, dass wir es hier mit einer gemeinsamen kultisch-religiösen Wurzel zu tun haben, von der die Jakobusverehrung eben nur den christlichen Zweig darstellt.
    Aber zurück zum Hund!
     
    2
    DIENSTAG, 22. JUNI
    AURAY - PAIMPOL - LANLEFF
     
    Jetzt gibt es kein Zurück mehr, ich sitze im Zug nach Norden. Nach zweimaligem Umsteigen inklusive Kennenlernen muffiger Wartesäle (wann wird endlich der Fortschritt bis zu den Wartesälen der Welt Vordringen?!) komme ich am späteren Nachmittag in PAIMPOL an. Schon auf der Fahrt, inmitten von Schülern und Angestellten, die meisten wahrscheinlich unterwegs nach Hause zu ihren Familien, beginne ich mich einsam und fremd zu fühlen. Mit meinem ca. 13 Kilogramm schweren Rucksack, in Wanderkleidung, mit Hut und Pilgerstock, gehöre ich wirklich nicht dazu. Draußen ist der vormittags leicht bewölkte Himmel mittlerweile gänzlich von einer dichten Wolkenschicht bedeckt und es hat zu regnen begonnen. Meine Stimmung ist trübe wie das Wetter, und schon jetzt am Anfang kommen erste Zweifel in mir hoch. Keine Spur von jener Euphorie, die ich - neugierig, erwartungsvoll, energiegeladen - bisher immer zu Beginn meiner Pilgerreisen empfunden hatte. Aber ich bin es mir und dem Andenken an Ajiz schuldig, das durchzuführen, was ich mir vorgenommen habe. Eine Pilgerreise ist außerdem keine Vergnügungsfahrt, die man verschiebt, wenn das Wetter gerade nicht passt. Was ich anderen gegenüber nicht müde werde zu betonen, gilt wohl auch für mich, oder? Es wird schon besser werden, tröste ich mich. Aber als ich in PAIMPOL bei Nieselregen und scharfem, kaltem Wind mutterseelenallein auf dem Bahnsteig stehe, kostet es mich viel Überwindung, nicht gleich wieder eine Rückfahrkarte nach AURAY zu lösen in den Zug zu steigen und zurück in mein warmes, gemütliches bretonisches Domizil zu flüchten.
    Also nehme ich doch die Straße zur Prämonstratenser-Abtei von BEAUPORT in Angriff, dem Ausgangspunkt der britischen Pilger, die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts nach der Überquerung des Ärmelkanals mit dem Schiff hier ihren langen Weg nach Santiago begannen. Den beeindruckenden Ruinen des im Mittelalter so reichen und mächtigen Klosters schenke ich kaum einen Blick - warum auch, ich will heute trotz des Regens noch mindestens zwei bis drei Stunden gehen und die trostlose, verregnete Küste so schnell wie möglich hinter mir lassen. In der Hoffnung, dass Regen und Wind im Landesinneren etwas nach-lassen, und auch aus Trotz habe ich meinen Regenponcho noch nicht übergezogen, Jacke und Hut haben mich bisher tatsächlich in etwa trocken gehalten. Aber als wäre meine Motivation und Entschlossenheit noch nicht genügend auf die Probe gestellt worden, kommt es nach einer Stunde so dicht vom verhangenen Himmel herunter, dass ich den Umhang panikartig
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