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Auch Geister haben huebsche Soehne

Titel: Auch Geister haben huebsche Soehne
Autoren: Meg Cabot
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träumte von Bryce Martinsen, wie er mit mir in einem roten Cabrio den Seventeen Mile Drive entlangcruiste. Keine Ahnung, wem das Cabrio gehörte. Ihm selbst vermutlich, ich hatte nämlich noch keinen Führerschein. Bryces weiches weizenblondes Haar wehte sanft im Wind, die Sonne versank im Meer und tauchte den Himmel in Rot, Orange und Lila. Wir schnurrten die Kurven hoch über dem Pazifik auf den Klippen entlang und mir wurde nicht mal schlecht davon wie sonst im Auto. Der Traum war einfach perfekt.
    Und dann stellte sich diese Frau an mein Bett und schrie mir praktisch direkt ins Ohr.
    Wer bitte braucht so was?
    Ich sprang natürlich sofort auf und war auf der Stelle hellwach. Ja, so kann's gehen, wenn eine wandelnde Tote in deinem Zimmer aufkreuzt und aus voller Kehle schreit. Man ist schlagartig hellwach.
    Ich saß also kerzengerade im Bett und blinzelte in die Dunkelheit – es war schließlich mitten in der Nacht. Wo normale Menschen schlafen.
    Aber nicht wir Mittler. Oh nein.
    Sie stand in einem schmalen Mondstrahl, der durch die meerzugewandten Fenster auf der anderen Seite meines Zimmers hereinfiel. Sie trug ein graues Kapuzen-Sweatshirt, die Kapuze nicht auf dem Kopf, ein T-Shirt, Caprihosen und Keds-Ballerinas. Ihr Haar war kurz und irgendwie mausbraun, und wegen des Gekreisches war es schwer zu sagen, wie alt sie war, aber ich ordnete sie so ungefähr im Alter meiner Mutter ein.
    Das war übrigens der einzige Grund, warum ich nicht augenblicklich aus dem Bett sprang und ihr eine in die Fresse haute.
    Wahrscheinlich hätte ich es tun sollen. Ich meine, zurückschreien konnte ich ja schlecht, sonst hätte ich das ganze Haus geweckt. Ich war schließlich der einzige Mensch, die sie hören konnte.
    Na ja, zumindest der einzige lebende Mensch.
    Nach einer Weile merkte sie anscheinend, dass ich wach war, denn sie verstummte und wischte sich über die Augen. Sie weinte wirklich ziemlich heftig.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    »Okay, meine Aufmerksamkeit haben Sie jetzt jedenfalls«, antwortete ich. »Und, was wollen Sie?«
    »Ich brauche dich.« Sie schniefte. »Ich möchte, dass du jemandem etwas ausrichtest.«
    »Fein, und was?«
    »Sag ihm …« Sie strich sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Sag ihm, dass es nicht seine Schuld war. Er hat mich nicht umgebracht.«
    Oh, die Variante kannte ich noch nicht. Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ich soll ihm sagen, dass er Sie nicht umgebracht hat?«, wiederholte ich, um sicherzugehen, dass ich sie richtig verstanden hatte.
    Die Frau nickte. Sie war irgendwie hübsch, auf so eine nachlässige Art. Allerdings hätte es ihr zu Lebzeiten sicher nicht geschadet, sich mal den einen oder anderen Muffin zu gönnen.
    »Sagst du es ihm?«, fragte sie eifrig. »Versprochen?«
    »Klar, ich sag's ihm. Dazu müsste ich nur wissen, wer er ist.«
    Sie sah mich seltsam an. »Red natürlich.«
    Red? Sollte das ein Witz sein?
    Aber es war zu spät. Sie war verschwunden.
    Einfach so.
    Red. Ich drehte mich um und boxte mein Kopfkissen wieder in Flauschform. Red.
    Wieso immer ich? Ich meine, echt! Wieso durfte man mich ungestraft aus einem tollen Traum mit Bryce Martinsen reißen, nur weil eine Frau einem Typen na mens Red mitteilen wollte, dass er sie nicht umgebracht hatte? Ehrlich, manchmal war ich überzeugt, mein Le ben sei nur eine Serie von Beiträgen für »Die witzigsten Videos der Welt«, bloß ohne die Hose-runter-Abteilung.
    Aber so lustig, wie es sich anhörte, war mein Leben wirklich nicht.
    Besonders unlustig fand ich es, dass, gerade als ich es mir auf meinem Kissen gemütlich gemacht hatte und wieder in Schlaf versank, schon wieder jemand im Mondlichtstreifen an meinem Fenster auftauchte.
    Diesmal gab es kein Gekreisch. Aber das war schon so ziemlich alles, wofür ich dankbar sein konnte.
    »Was ist?«, fragte ich ziemlich unfreundlich.
    Er schüttelte den Kopf. »Du hast sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt.«
    Ich stützte mich auf die Ellbogen. Wegen dieses Typen hatte ich beschlossen, nachts wieder T-Shirt und Boxershorts zu tragen. Nicht dass ich vor seinem ersten Auftritt jemals durchscheinende Negligés getragen hätte, aber jetzt, wo ich einen männlichen Zimmergenossen hatte, würde ich so was ganz sicher erst recht nicht anziehen.
    Ja, richtig gelesen.
    »Sie hat mir auch keine Gelegenheit dazu gegeben«, sagte ich.
    »Doch, du hättest durchaus Gelegenheit gehabt, sie zu fragen.« Jesse verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber du hast dir die
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