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Auch Geister haben huebsche Soehne

Titel: Auch Geister haben huebsche Soehne
Autoren: Meg Cabot
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irgendwas tun möchte, damit sie weniger traurig sind.
    Und eben deswegen musste ich mich zusammenreißen, um weiterhin fies zu ihm zu sein. Bestimmt verstieß ich sonst gegen irgendwelche von Pater Dominics Regeln des Umgangs von Mittlern mit ihren … mit Hilfesuchenden. In Bezug darauf, dass Mittler und Geist sich einander annähern und einander … ähm … aufmuntern und so.
    Ich hoffe, man versteht, was ich meine.
    »Dann gute Nacht, Susannah«, sagte Jesse mit seiner tiefen Seidenstimme.
    »Gute Nacht.« Meine Stimme war weder tief noch seidig, sondern hörte sich in diesem speziellen Moment ziemlich quietschig an. Was fast immer passierte, wenn ich mit Jesse sprach. Nicht mit anderen. Nur mit Jesse.
    Klasse! Wenn ich schon mal sexy und tiefgründig klingen wollte, kam nur so eine Quietschstimme raus. Na super.
    Ich drehte mich weg und zog mir die Decke übers Gesicht, das sich heiß anfühlte. Als ich etwa eine Minute später wieder hinausspitzelte, war Jesse verschwunden.
    Das ist Jesse, wie er leibt und … na ja, nicht lebt, dachte ich.
    Er tauchte immer auf, wenn ich es am wenigsten erwartete, und verschwand, wenn ich es am wenigsten wollte. So waren sie, die Geister.
    Mein Vater war auch nicht anders. Seit er vor zehn Jahren gestorben war, kreuzte er in unregelmäßigen Abständen zu Kontrollbesuchen auf. Aber wäre er mal gekommen, wenn ich ihn wirklich brauchte? War er etwa gekommen, als meine Mutter mich hierhergeschleift hatte, ans andere Ende von Amerika, wo ich keinen Menschen kannte und mich zu Anfang tierisch einsam fühlte? Nein, natürlich nicht. Da hatte sich mein guter alter Dad nicht blicken lassen. Er war zwar zu Lebzeiten auch noch nie besonders zuverlässig gewesen, aber ich hatte gedacht, dieses eine Mal würde er kommen, wo ich ihn doch wirklich dringend gebraucht hätte …
    Jesse dagegen konnte ich beim besten Willen nicht unzuverlässig nennen. Eher war er einen Tick zu zuverlässig, sprich: gluckig. Er hatte mir sogar schon das Leben gerettet, und zwar nicht einmal, sondern gleich zweimal. Dabei kannte ich ihn erst seit ein paar Wochen. Tja, ich war ihm wohl was schuldig.
    Und so log ich, als Pater Dominic mich in seinem Büro fragte, ob geistermäßig irgendwas vorgefallen war, und verneinte. Bestimmt ist Lügen eine Sünde, besonders wenn man einen Priester anlügt, aber das Ding ist: Ich hatte Pater Dominic noch nie von Jesse erzählt.
    Ich dachte eben, ihn als Priester würde das beunruhigen, wenn er wüsste, dass ein toter Typ in meinem Zimmer herumhing. Außerdem gab es Gründe dafür, warum Jesse schon so lange in meinem Zimmer herumhing. Es gehörte zum Job eines Mittlers, den Geistern zu helfen, herauszufinden, was diese Gründe waren. Sobald der Geist das wusste, konnte er die Sache normalerweise selbst in die Hand nehmen, das Hindernis, das ihn auf halber Strecke zwischen Leben und Tod festhielt, aus dem Weg räumen und dann seinen Weg fortsetzen.
    Aber manchmal – und ich vermutete, dass es sich in Jesses Fall genauso verhielt – kamen Geister einfach nicht auf die Gründe. Sie konnten sich beim besten Willen nicht denken, woran es liegen könnte, dass sie hier festsaßen. Das waren die Situationen, in denen ich das einsetzen musste, was Pater Dom meine intuitiven Fähigkeiten nannte.
    Das Problem war nur, dass ich bei der Verteilung dieser Fähigkeiten irgendwie zu kurz gekommen sein musste – meine Intuition ließ nämlich sehr zu wünschen übrig. Ich war sehr viel besser, wenn es um Tote ging, die genau wussten, warum sie noch da waren, aber auf keinen Fall dahin wollten, wohin sie sollten. Denn sie nahmen an, dass es da wohl nicht so himmlisch zugehen dürfte. Das waren die Schlimmsten – diejenigen, die mir keine Wahl ließen: Ich musste ihnen in den Hintern treten.
    Die waren anscheinend meine Spezialität.
    Pater Dominic hingegen war der Meinung, wir sollten alle Geister mit Würde und Respekt behandeln, nicht mit Fäusten.
    Ich sah das anders. Manche Geister gehörten einfach nur verdroschen, die verdienten es nicht anders. Und ich hatte kein Problem, das zu übernehmen.
    Bei der Frau, die in meinem Zimmer aufgetaucht war, schien das aber nicht der Fall zu sein. Sie hatte ganz vernünftig gewirkt, höchstens ein bisschen durcheinander. Ich hatte Pater Dom nur deswegen nicht von ihr erzählt, weil ich mich schämte, wie ich mit ihr umgegangen war. Jesse hatte mich zu Recht angeschrien. Ich war echt fies zu ihr gewesen – und weil ich wusste, dass er recht
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