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Auch Engel Moegens Heiss

Auch Engel Moegens Heiss

Titel: Auch Engel Moegens Heiss
Autoren: Linda Howard
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Schulschluss, mit Ausnahme des Sommers natürlich. Doch auch da kamen die meisten Besucher nachmittags, eventuell weil sie während der relativ kühlen Vormittagsstunden mit anderen Erledigungen beschäftigt waren. Kendra Owens begann um zwölf zu arbeiten und blieb bis zur Schließung um einundzwanzig Uhr, und von siebzehn bis einundzwanzig Uhr kam Shannon Ivey, die Teilzeit arbeitete, sodass Kendra abends nie allein war. Die Einzige, die länger allein Dienst hatte, war Daisy, aber sie trug wohl auch die größte Verantwortung.
    »Ist da wer?«, dröhnte eine tiefe Stimme, noch ehe Daisy aus ihrem kleinen Kabuff hinter der Verbuchungstheke treten konnte.
    Empört, dass jemand in einer Bücherei herumbrüllte, selbst wenn momentan keine anderen Besucher da waren, trat Daisy eilig zwei Schritte vor. Als sie sah, wer da hereingekommen war, blickte sie kurz an sich herab und antwortete dann knapp: »Ja, natürlich. Sie brauchen deswegen nicht gleich zu schreien.«
    Auf der anderen Seite der verkratzten hölzernen Verbuchungstheke stand, sichtlich ungeduldig, der Polizeichef Jack Russo. Daisy kannte ihn vom Sehen, hatte aber noch nie mit 37
ihm gesprochen und wünschte sich, ihr wäre das auch jetzt erspart geblieben. Ehrlich gesagt hielt sie nicht allzu große Stücke auf den Mann, den Bürgermeister Nolan zum Polizeichef erkoren hatte. Etwas an ihm bereitete ihr Unbehagen, auch wenn sie nicht zu sagen vermochte, was das war. Warum hatte der Bürgermeister nicht jemanden aus dem Ort ausgewählt, jemanden, der schon länger bei der Polizei war? Chief Russo mischte sich nicht unter die Einheimischen, und soweit sie das nach einigen Gemeindeversammlungen beurteilen konnte, ließ er gerne mal die Muskeln spielen. Einen Rüpel nicht zu mögen, war nicht schwer.
    »Wenn ich jemanden gesehen hätte, hätte ich auch nicht brüllen müssen«, blaffte er.
    »Wenn niemand hier gewesen wäre, wäre die Tür nicht offen gewesen«, blaffte sie zurück.
    Patt.
    Äußerlich war Chief Russo ein attraktiver Mann, wenn man eine Schwäche für Bullentypen mit festem Nacken und breiten, runden Schultern hatte. Sie war nicht so dumm, davon auszugehen, dass Männer mit athletischem Körperbau automatisch geistig beschränkt waren; trotzdem hatte Daisy sich nie viel aus solchen Typen gemacht. Ein Mann, der so viel Sport trieb, um derart muskulös zu bleiben, musste im Grunde seines Herzens ein Narziss sein, oder? Wie alt er war, wusste sie nicht; sein Gesicht hatte keine Falten außer ein paar Lachfältchen in den Augenwinkeln; dafür war das kurz geschnittene Haar, das auf dem Scheitel noch dunkel war, an den Schläfen schon ergraut. Jedenfalls war er zu alt, als dass er noch Stunden damit zubringen sollte, Gewichte zu stemmen. Ebenso wenig gefiel ihr sein anmaßender, eingebildeter Blick und der Mund mit den vollen Lippen, um die stets ein Lächeln zu spielen schien. Für wen hielt sich der Chief eigentlich, für Elvis? Und damit nicht genug, er war ein Yankee - er hatte entweder in Chicago oder New York als Bulle gearbeitet, sie hatte schon beides ge- 38
hört - und wirkte stets schroff und abweisend. Hätte er sich um sein Amt bewerben müssen, so wie der County Sheriff, wäre er nie im Leben gewählt worden.
    Daisy unterdrückte ein Seufzen. Mit ihrer Meinung über den Chief stand sie allein auf weiter Flur. Der Bürgermeister mochte ihn, der gesamte Gemeinderat mochte ihn, und soweit sie in der Stadt gehört hatte, hielten ihn die meisten allein stehenden Frauen für ein echtes Sahneschnittchen. Vielleicht war ihre instinktive Abneigung also unbegründet. Vielleicht. Sie ermahnte sich, dass sie als gute Nachbarin Toleranz üben sollte, aber sie war trotzdem froh, dass zwischen ihnen die Verbuchungstheke war.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie mit ihrer besten, ebenso kühlen wie verbindlichen Bibliothekarinnen-Stimme. In der Öffentlichkeit zu arbeiten war eine Wissenschaft für sich, vor allem in einer Bücherei. Sie durfte niemanden abschrecken, weil sie natürlich wollte, dass möglichst viel gelesen wurde, aber gleichzeitig musste sie den Menschen vermitteln, dass die Bücherei und auch die anderen Besucher Respekt und Rücksichtnahme verdienten.
    »Ja. Ich möchte mich bei der virtuellen Bibliothek einschreiben.«
    Keine Antwort hätte ein strahlenderes Lächeln auf ihr Gesicht zaubern können. Automatisch stiegen seine Aktien um einige Punkte. Daisy war mit Recht stolz auf die virtuelle Bibliothek des Staates; in
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