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Auch das Paradies wirft Schatten

Auch das Paradies wirft Schatten

Titel: Auch das Paradies wirft Schatten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spritzenmänner und bekämpften mit dicken Wasserstrahlen den Großbrand in der Scheune und den Stallungen, auf die das Feuer auch schon übergegriffen hatte. Zwei Spritzen hielten ständig das Herrenhaus unter Wasser, um ein Überspringen der Flammen auch auf dieses zu verhindern. Die Knechte und Mägde schleppten aus den Stallungen noch immer Geräte heraus, unter hohen Gefahren für ihre Gesundheit, ja ihr Leben. Pedro stoppte als erstes mit lauter Kommandostimme diesen gefährlichen Betrieb.
    »Laßt das Zeug, wo es ist!« brüllte er.
    Aus der Scheune war ohnehin nichts mehr zu retten, sie stellte ein einziges riesiges Flammenmeer dar, von dem alles Brennbare verzehrt wurde.
    Nun sprang Pedro, gefolgt von Dr. Faber und Marianne, die Treppe zum Herrenhaus hinauf. In der Halle stand Lulatsch mit einer Spritze in der Hand und beobachtete die Funken, die an die Parterrefenster flogen. Als er den Baron sah, ging ein sichtliches Aufatmen durch seine lange Gestalt.
    Diener durch und durch, ein Mann, der aus seiner Haut nicht heraus konnte, verbeugte er sich automatisch und rief: »Guten Morgen, Herr Baron!«
    »Lulatsch, guten Morgen«, antwortete Pedro gezwungenermaßen. »Wer führt hier eigentlich das Kommando?«
    »Ihr Herr Bruder, Herr Baron.«
    »Wer?«
    »Ihr Herr Bruder. Er hat mich hier eingeteilt. In eigener Person befindet er sich seit einer Viertelstunde auf dem Dach und kämpft, weil es dort oben am gefährlichsten ist.«
    Pedro blickte Marianne und Dr. Faber an. Versteht ihr das? schien seine stumme Frage zu lauten.
    Dann wandte er sich der Treppe nach oben zu. Marianne wollte ihm wieder folgen.
    »Du bleibst hier!« rief er ihr über die Schulter zu. »Sie auch, Doktor! Sie sind mir dafür verantwortlich, daß ihr nichts passiert!«
    In langen Sätzen hetzte er die Stufen hinauf, lief über den Speicher, kletterte zum Oberboden und zwängte sich durch eine Luke hinaus aufs Dach. Grell und heiß schlug ihm von der Scheune her die flammende Lohe entgegen, es war, als käme er in einen Ofen. Die Luft schien zu kochen. Nach Atem ringend, zwang er sich, weiterzukriechen zum Rand des Daches. Ruß und Schmutz wirbelten ihm ins Gesicht, Funken versengten seinen Anzug. Vor ihm zeichneten sich die Umrisse eines Mannes ab, der aufrecht auf dem Dach stand, diesen lebensgefährlichen Balanceakt nicht scheute, eine Axt und einen großen Einreißhaken in den Händen haltend.
    Siegurd.
    Ein ganz neuer Siegurd.
    Ein Mensch, der dreißig Jahre lang nichts getaugt hatte und sich nun, in der Stunde der Gefahr, zu einem echten von Aarfeld gewandelt hatte. Ganz spontan. Eigentlich ohne es zu wollen. Von einer Minute auf die andere. Der Anblick eines rußgeschwärzten Pferdeknechts hatte einen neuen Menschen, einen wahren Edelmann, zur Welt gebracht.
    »Siegurd!« brüllte Pedro. »Zurück! Du stürzt ab!«
    Siegurd schaute um, entdeckte den an ihn herankriechenden Bruder, der noch einmal schrie: »Zurück!«
    Siegurd schüttelte den Kopf. »Das Dach hier muß eingerissen werden, sonst geht auch das Haus flöten!«
    Er mußte nicht weniger schreien als Pedro, um sich im Prasseln und Brausen der Flammen verständlich zu machen.
    Schrecklich sah er aus. Brandblasen bedeckten sein Gesicht, seine Haare waren zum Teil schon versengt, sein Hemd war durchlöchert von Funken, die sich auf die Haut durchgefressen hatten.
    Aber er hielt aus, und Pedro blieb bei ihm, weil er ihn nicht dazu bewegen konnte, seinen halsbrecherischen Posten zu verlassen. Zum Glück waren dies die Minuten, in denen die Feuerwehren den Brand in den Stallungen unter Kontrolle bekamen. Und die Flammen der Scheune begannen von selbst zu ermüden, da ihnen bereits alles, von dem sie sich nähren konnten, zum Opfer gefallen war. Das Letzte konnte dadurch verhindert werden. Unversehrt blieben Herrenhaus und Dach, von dessen vorbeugender Zerstörung Siegurd nicht abzuhalten gewesen wäre. Die Frage, ob er es geschafft oder sich den Hals dabei gebrochen hätte, blieb so unbeantwortet. Höchstwahrscheinlich letzteres.
    Entscheidend war auf alle Fälle sein Entschluß, jede Gefahr auf sich zu nehmen. Pedro konnte dazu gar nichts mehr sagen. Er war ständig am stummen Abbitteleisten. Und Marianne wollte für ihren zukünftigen Schwager nur noch durchs Feuer gehen.
    Für Siegurd wurde ein längerer Krankenhausaufenthalt zu seiner völligen Wiederherstellung notwendig.

4
    Drei Wochen später saß Baron Pedro von Aarfeld in Boltenberge vor dem Notar Dr. Franz Sedelmaier.
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