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Auch das Paradies wirft Schatten

Auch das Paradies wirft Schatten

Titel: Auch das Paradies wirft Schatten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wollte einen Schritt zurück, doch urplötzlich war nun das Moor am Zuge. Es hielt sie fest. Mit einem lauten Schrei brach sie in den tückischen Boden ein und versank bis zu den Waden.
    Verzweifelt begann sie zu kämpfen. Aber jede Bewegung verringerte ihre Chancen, öffnete das Moor unter ihr nur noch bereitwilliger. Es war, als sauge eine ungeheure Kraft an ihrem Körper, als stünde sie in einem Brei, der langsam höher stieg. Grundlos schien der Boden, gierig, endlich ein Opfer zu haben. Fauliges Wasser stieg an ihr empor und gluckste jetzt schon um ihre Schenkel.
    Verzweifelt sah sie sich um.
    »Hilfe!« schrie sie. »Hilfe! Ich versinke!«
    Mit weit aufgerissenen Augen, in denen ein maßloses Grauen lag, sah sie, wie der Boden, der Tod, an ihr höher und höher kletterte. Und sie schrie nur noch immer wieder gellend nach Hilfe.
    Pedro löste sich aus seiner Erstarrung, hetzte zum Waldrand zurück, sprang suchend hin und her und fand einen jungen, abgeholzten Birkenstamm. Er lud ihn sich auf die Schulter und brachte ihn möglichst rasch zur Unglücksstelle. Recke folgte seinem Beispiel. Auch er fand bald einen zweiten Stamm. Doch dann war Schluß. Es schwebte ihnen vor, in aller gebotenen Hast eine Art Knüppeldamm zu bauen, aber sie hätten dazu einige Dutzend Stämme gebraucht; kein einziger fand sich mehr in der Nähe, trotz fieberhafter Suche.
    Was tun? Nichts mehr. Das Moor, der Tod war am Zuge.
    Das Opfer schrie und schrie.
    Schon reichte der Sumpf bis zum Hals.
    In den Augen lag die Erkenntnis, daß es zu Ende war.
    Aus dem Brei der Erde fuhren ein letztes Mal die Arme hoch, als wollten sie nach einem Halt in der Luft greifen.
    »Hilfe!« gellte es. »Hilfe! Hi…«
    Der Schrei brach ab, und tödliches Schweigen, Bewegungslosigkeit und die absolute Gleichgültigkeit der Elemente gegenüber jeder menschlichen Katastrophe senkte sich auf das Moor herab.
    Totenbleich starrte Pedro von Aarfeld auf die Stelle der Tragödie. Friedlich lag sie da. Bald schon würden die Moorhühner zurückkehren, auf der Suche nach Schutz und Nahrung, die ihnen der Schlick bot.
    Recke fand als erster die Sprache wieder. »Es ist vorbei, Herr Baron …«
    »Gehen wir«, entschied Pedro, und sie schritten gemeinsam durch den Wald. Der Förster trug neben seiner Flinte auch die der Freiin.
    »Dieses Ende hat sie nicht verdient«, sagte Pedro, als sie bei seinem Wagen angekommen waren. »Sie war haltlos, gemein, rachsüchtig, gierig nach Geld, sie war einfach schlecht – aber das sind viele. Dieses Ende hat sie nicht verdient, denn sonst müßten ganze Heerscharen auch auf solche Weise zugrundegehen.«
    »Wer erstattet Meldung bei der Polizei, Sie oder ich?« fragte der Förster.
    »Ich.«
    Pedro ließ sich das beschädigte Gewehr geben, wobei er sagte: »Diese Geschichte bleibt unter uns, Recke – den Anschlag auf mich meine ich. Wir sagen einfach, daß sie unvorsichtig war. Klar?«
    Und als der Förster erstaunt blickte und nur zögernd nickte, setzte Pedro hinzu: »Wir wollen das Andenken an sie in der Öffentlichkeit nicht noch unnötig schädigen. Schlecht genug wird es ohnehin sein.«
    »Wie Sie meinen, Herr Baron.«
    Pedro stieg in seinen Wagen, nachdem er Mathildes Flinte im Kofferraum verstaut hatte. Mit einem knappen Winken der Hand fuhr er davon. Recke sah dem Auto nach, bis es in einer Schneise verschwunden war. Dann stand er noch eine Weile, blickte leer vor sich hin und ließ den ganzen schrecklichen Film der letzten Viertelstunde noch einmal an sich vorüberziehen. Ein tiefer Seufzer hob zuletzt seine Brust.
    »Mann«, sagte er laut zu sich selbst, »ich hätte schlechter zielen sollen, sie erschießen sollen, dann wäre ihr das erspart geblieben.«
    Pedro fuhr langsam. Auch ihn hielten die Bilder des Grauens noch zu sehr in ihren Krallen, als daß er daneben schon wieder die nötige Konzentration auf ein Fahren mit höherer Geschwindigkeit hätte aufbringen können.
    Er kam an Gut Bahrenhof vorbei und bog auf die Straße nach Aarfeld ein. Schon von weitem sah er im Hof seines Gutes den Wagen Fabers stehen. Als er durch das Tor fuhr und stoppte, kam ihm Marianne die Treppe herunter entgegengelaufen. Sie strahlte, erstarrte aber wenige Schritte vor ihm plötzlich und stieß hervor: »Wie siehst du aus? Was ist passiert?«
    »Das erzähle ich dir später. Erst muß ich wissen, ob zwischen uns wieder alles in Ordnung ist.«
    »Natürlich! Ich war doch ein Schaf, und ich schwöre dir, daß ich nie, nie, nie mehr
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