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Auch das Paradies wirft Schatten

Auch das Paradies wirft Schatten

Titel: Auch das Paradies wirft Schatten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es. Wilderer, würde es heißen, wie beim Vater. Am liebsten täte ich es wirklich. Ich hasse Sie. Sie haben mich um mein ganzes Leben gebracht, um meine Zukunft. Verschwinden Sie, sonst drücke ich ab!«
    »Runter mit der Flinte!« sagte Pedro furchtlos. »Spielen Sie hier nicht die Verrückte!«
    »Halt! Bleiben Sie stehen!« schrie sie schrill, als sie sah, daß er auf sie zutreten wollte. »Noch einen Schritt, und Sie sind ein toter Mann!«
    Ihr Gewehr lag in Augenhöhe. Der Lauf zielte mitten ins Gesicht Pedros. Haß verzerrte ihre Züge.
    Pedro rührte sich nicht mehr. Nur noch Zentimeter trennten ihn vom Jenseits, das war ihm von einer Sekunde auf die andere klar geworden.
    So standen sie eine Ewigkeit, und auf einmal peitschte ein Schuß über das stille Moor; es war aber nicht der erwartete aus Mathildes Büchse, sondern er dröhnte vom Waldrand her. Die Freiin stand plötzlich mit leeren Händen da. Ihre Flinte hatte einen heftigen Schlag erhalten, war zur Seite geflogen und lag nun im Schlamm.
    Vom Waldrand löste sich eine hohe, breite Gestalt. Leichenblaß blickte ihr Mathilde von Bahrenhof, die beim Schuß entsetzt herumgefahren war, entgegen.
    Tief atmete Pedro auf.
    »Gerade noch im rechten Augenblick, Recke«, sagte er, setzte jedoch, Zeugnis von seiner immerwährenden Korrektheit ablegend, sogleich hinzu: »Ich muß Sie aber fragen, wie Sie mit einer Waffe in ein fremdes Revier kommen …«
    »Ich darf mir den Weg abkürzen«, antwortete gar nicht erstaunt der Förster Recke. »Dazu habe ich seit acht Jahren die Erlaubnis vom verstorbenen Freiherrn von Bahrenhof.«
    Dies schien der Freiin von Bahrenhof den Rest zu geben. Sie wandte sich ab, fuhr herum und wollte tiefer ins Moor hineinlaufen. Pedro hielt sie jedoch am Ärmel fest.
    »Bleiben Sie, dort hört der Weg auf!«
    »Lassen Sie mich!« Kratzend fuhren ihre Finger in sein Gesicht, wodurch sich für einen Augenblick sein Griff lockerte. Sie benutzte die Gelegenheit, um sich loszureißen und über den schmalen Weg durch die Büsche hindurch dem Moor entgegenzulaufen.
    »Halt!« brüllte Pedro, sah, daß sein Ruf nichts nützte, und setzte der Flüchtenden nach. Recke schlug einen kleinen Bogen. Er wollte versuchen, ihr den Weg abzuschneiden.
    Weicher und weicher wurde der Boden. Der ausgetretene Pfad hörte auf. Hohes Gras bedeckte die nachgebende Erde, die hier noch nie von eines Menschen Fuß betreten worden war. Als könne sie fliegen, so schnell und leicht rannte die Freiin über den schwankenden Boden, schnellte sich um die Büsche und warf sich in das Schilf, eine Gasse vor sich niedertretend.
    »Bleiben Sie doch stehen!« brüllte Pedro im Laufen. »Das Moor kommt!«
    Mathilde von Bahrenhof achtete nicht darauf. Wie gehetzt lief sie weiter, sprang über die ersten offenen Stellen, in denen das dunkle, faulige Wasser gurgelte, sank mit dem Fuß bis zum Knöchel ein und riß sich wieder empor. Weiter, nur weiter! schrie es in ihr. Ich habe ihn ermorden wollen, und eine Freiin von Bahrenhof stellt man nicht als Verbrecherin vor Gericht. Sie blickte zur Seite, sah die Hünengestalt des Försters Recke auf sich zukommen – und wandte sich nach links. Leichtfüßig sprang sie über niedriges Gesträuch und schlug Haken um die Weidenstämme und die moorigen Stellen.
    Plötzlich öffneten sich die Büsche, und ein weites, fast kahles Feld lag vor ihr. Kleine Schilfbüschel ragten aus der nassen Erde. Eine Schar Moorhühner flatterte empor, aufgeschreckt von den hier zum erstenmal sichtbar werdenden Zweibeinern, und zog schreiend davon.
    Das Moor, durchzuckte es Mathilde. Sie blickte sich um. Hinter ihr keuchte Pedro von Aarfeld heran, von rechts kam der Förster durch die Büsche gebrochen. Es gab keinen anderen Weg mehr … das Moor mußte sie tragen.
    Ohne sich zu besinnen, stürzte Mathilde von Bahrenhof hinaus auf die weite, einsame, tote Fläche. Mit einem Ruck stoppte Pedro, als er dies sah, und starrte der Verrückten nach. Er brachte keinen Ton mehr hervor. Es hallte aber die Stentorstimme Reckes über das Moor: »Zurück! Das ist Selbstmord!«
    Fünf … zehn … zwanzig Schritte lief die Freiin noch. Das Moor trug sie. Der Boden schwappte unter ihr, Wasser quoll auf, faulige Brühe lief ihr über die Schuhe – aber die leichte Gestalt sank nicht ein, sie wirbelte über den Tod hinweg. Ohnmächtig standen Pedro und Recke am Rand und starrten auf das Bild des Wahnsinns, das sich ihnen bot.
    Da warf die Freiin plötzlich die Arme hoch,
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