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Auch das Paradies wirft Schatten

Auch das Paradies wirft Schatten

Titel: Auch das Paradies wirft Schatten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lächerlich!«
    »Hast du nicht den Eindruck«, sagte Pedro, der mit der Reitgerte wieder gegen den hohen Stiefelschaft schlug, »daß es für dich an der Zeit wäre, dich um die Kartoffelernte zu kümmern? Die Leute auf den Feldern müssen sehen, daß es hier zwei Aarfelds gibt.«
    Siegurds Oppositionsgeist gegenüber seinem Bruder schlug um in Zorn. Sein Gesicht wirkte plötzlich steinern und kantig.
    »Sonst noch Befehle, Don Pedro?«
    »Ich befehle dir nicht, ich erinnere dich an deine Pflichten.«
    »An meine Pflichten, ja. Das tust du doch dauernd. Ich kann das verdammte Wort schon nicht mehr hören. Du mußt mir damit nicht ständig in den Ohren liegen, daß du hier der Herr bist. Ich weiß, du erbst das Gut als Majorat, du verkörperst, wie man so schön sagt, das ›Familienoberhaupt‹. Was bin ich denn dagegen? Eine Null, ein Grünschnabel ohne Stimme, ohne Verantwortung. Ich sitze brav am Tischchen, esse meine Breichen und darf einmal im Jahr laut ein Wort sagen, nämlich ›danke schön‹, wenn ich meine testamentarisch festgelegte Jahresrente auf mein Konto überwiesen bekomme. Und du denkst, diese Rolle gefällt mir …«
    »Jedenfalls«, unterbrach Pedro den zornigen Redefluß Siegurds, »gefällt dir die erwähnte Jahresrente, mit der du großzügig umzugehen weißt. Oder irre ich mich?«
    »Hast du etwas dagegen? Es ist mein Geld, mit dem ich machen kann, was ich will.«
    »Du wirfst es mit vollen Händen zum Fenster hinaus, das ist dir wichtiger als das Gut. Was mit dem geschieht, ist dir egal.«
    »Nicht so ganz, das wirst du schon noch sehen.«
    »Siegurd«, sagte Pedro versöhnlicher, um einzulenken, »mir geht's doch nicht um mich. Ich denke an Aarfeld. Du hast zumindest die Aufgabe, in Reserve zu stehen. Mir kann doch z.B. etwas zustoßen …«
    »Was kann dir schon zustoßen?« unterbrach nun Siegurd seinen Bruder. »Ein Herzinfarkt? Dir nicht – bei deinem soliden Lebenswandel! Dann schon eher mir. Oder ein Autounfall? Auch nicht. Du reitest doch viel lieber in der Gegend herum, statt zu fahren, sieh dich doch an.« Ein Fingerzeig Siegurds auf Pedros Stiefel und Reitgerte unterstrich diese Worte.
    Pedro gelang es, sich zu beherrschen. Er antwortete: »Na schön, dann will ich dich an etwas anderes erinnern. Du weißt, was ein Majorat ist, du hast ja selbst soeben schon davon gesprochen. Unser Vater hat mir als Älterem das Erbe zur Verwaltung übertragen. Das ist vielfach seit Generationen so üblich. Da es sich also um ein Majorat handelt, bin ich verpflichtet, spätestens bis zu meinem 35. Lebensjahr zu heiraten. Bis dahin sind's, wie dir bekannt sein dürfte, gerade noch zwölf Monate, und ich wüßte nicht, daß mir meine Verehelichung ins Haus stünde. Oder liegen dir andere Informationen vor?«
    »Sicher«, entgegnete trocken Siegurd, auf den Pedros faustdicke Ironie keinerlei Wirkung ausübte.
    »Wie bitte?«
    »Du denkst, ich habe keine Augen im Kopf.«
    »Keine Augen im Kopf?«
    Pedros Überraschung, die nicht von schlechten Eltern war, ließ so rasch nicht nach. Sie äußerte sich darin, daß er verständnislos Siegurds Worte nachplapperte.
    »Ich sehe euch beide doch turteln, Pedro.«
    »Euch beide? Wen?«
    »Dich und Mathilde.«
    »Welche Mathilde?«
    »Die lustige Witwe.«
    Der Groschen fiel, Pedro stieß hervor: »Bist du verrückt? Freiin von Bahrenhof kommt sich unseren Heuwender leihen. Oder eine Zugmaschine samt Fahrer. Jede Woche etwas anderes. Du weißt doch, wie's bei ihr aussieht, seit ihr Mann tot ist. Wie kannst du nur so dumm daherreden?«
    Absolut unbeeindruckt winkte Siegurd ab, grinste besserwisserisch, entnahm einem flachen, goldenen Zigarettenetui eine Zigarette und steckte sie mit einem Feuerzeug, ebenfalls aus Gold, in Brand, ohne daran zu denken, auch dem Bruder eine Zigarette anzubieten. Dicke Rauchwolken von sich blasend, erklärte er in herablassendem Ton: »Gib dir keine Mühe, mein Lieber. Ich habe dir gesagt, daß ich Augen im Kopf habe.«
    Dann drehte er sich um und ging ins Haus. Pedro schien ihm folgen zu wollen, doch in diesem Augenblick wurde Motorenlärm laut, ein Auto bog in die Zufahrtsstraße ein und näherte sich dem großen Tor des Gutes. Von weitem schon hupte der Fahrer. Dr. Faber, langersehnt, war im Anmarsch.
    Als er aus dem Wagen kletterte, eilte ihm Pedro von Aarfeld entgegen und begrüßte ihn mit festem Händedruck. Faber war ein Herr mittleren Alters, mit grauen Haaren und einer dünnen Goldbrille, an der er ständig zu rücken
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