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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen
Autoren: William Napier
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Gesicht und freundlich wie ein kampanischer Bauer, der er ja war, ritt auf einem plumpen Pferd, das etwas zu klein für ihn war, flankiert von langen Reihen von Chorknaben und Diakonen.
    «Was zum Teufel ist denn das?»
    Der Bischof zügelte sein Pferd. «Heermeister Aëtius? Schließt Euch uns an. Reitet mit uns. Und lasst uns erst mit Attila reden, bevor …»
    «Mit Attila
reden
! Euer Heiligkeit, bei allem Respekt, mit ihm reden, mit ihm verhandeln, ihn bestechen – zu diesem späten Zeitpunkt! –, das ist, als würde eine Hirschkuh mit einem Löwen verhandeln, wenn der Löwe bereits die Fänge in ihrem Hinterteil versenkt hat!»
    Der Bischof lächelte nachsichtig. Solche deftigen Vergleiche erinnerten ihn an seine Jugend auf dem Land. «Mit Attila reden», wiederholte er gefasst, «bevor du und deine tapferen Soldaten in die Schlacht gegen ihn zieht!»
    Aëtius starrte ihn an. Dann gab er den Befehl, sich einzureihen.
    * * *
    In der Nähe des Mincius kam es dann tatsächlich zu einem Gespräch zwischen Attila und dem Bischof von Rom. In dem lieblichen Ackerland, das Virgil und Catull besangen und das nun von der Reiterei der Barbaren verwüstet ist.
    In Leos kleinem Gefolge aus Priestern und Kaplanen waren auch ein untersetzter alter Mann mit einem weißen Bart und ein jüngerer Mann mit braunen Augen. Einige behaupteten, die beiden seien aus Britannien herbeigereist, andere hielten dies aber für ein Gerücht. Viele Legenden rankten sich um diese Begegnung. Dass Attila, die Briten und die päpstliche Gesandtschaft alte sybillinische Verse austauschten, und dass der gefürchtete Herrscher der Hunnen, die Geißel Gottes, den Kopf sinken ließ, als er sie vollständig gehört hatte, sich umdrehte und mit seinen Truppen kehrtmachte. Einige waren sogar der Ansicht, Rom sei wegen Attilas abergläubischer Furcht vor der christlichen Kirche gerettet worden, und wegen ein paar alter verstümmelter Reime. Wieder andere verkündeten, Attilas Stärke sei sowieso dahin gewesen; er sei ja auf den Katalaunischen Feldern schon vernichtend geschlagen worden.
    Die Begegnung bestätigte eines: Die römischen Legionen gehörten nun tatsächlich der Vergangenheit an. Attila fürchtete keine Armeen, sondern den Gott der Christenheit, den Gott, der ihm mit Donner gezürnt hatte aus der dunklen Tiefe der Kathedrale in Remi. Die ehemalige militärische Stärke Roms war ausgelöscht, doch die neue Macht der katholischen Kirche hatte sie ersetzt.
    * * *
    «Es war nicht der Priester der Christen, der mich umkehren ließ», sagte Attila, «sondern der andere in dem weißen Gewand, der hinter ihm stand.»
    Orestes runzelte die Stirn. «So einer war nicht dabei!»
    «Er trug ein flammendes Schwert.»
    Orestes verstummte und verließ das Zelt. Draußen in der Dunkelheit hörte er von weit her einen Singsang:
     
    Der Große Geist hat es so verfügt.
    Trocknet Eure Augen.
    Kommt der weiße Mann,
    Wird Euer Volk nichts mehr taugen.
     

13. DAS TOTENBETT
    I m Westen Britanniens gelangten ein alter Mann und sein Sohn endlich nach Hause zu ihrem bescheidenen Heim. Der alte Mann ließ sich vom Pferd gleiten. Eine nur ein paar Jahre jüngere Frau kam aus dem Haus, weinte und umarmte ihn. Sie standen umschlungen da, dann gingen sie hinein. Der jüngere Mann brachte die Pferde in den Stall.
    Die Frau sagte: «Und, die Christen haben gesiegt, oder?»
    Lucius nickte. «Diesmal ja.» Sie half ihm aus seinem schweren Umhang. «Was gibt’s Neues?»
    Seirian schüttelte den Kopf.
    «Neuigkeiten von der Festung?»
    «Es blieb still. Ein Bote brach dorthin auf, per Schiff. Aber …»
    «Er ist nicht zurückgekehrt?»
    Seirian schüttelte erneut den Kopf und sagte flehentlich: «Aber die Festung kann doch unmöglich gefallen sein!»
    Lucius wandte sich zu Cadoc um, der gerade hereinkam und den Schwertgurt ablegte. Er streckte die Hand aus, ließ ihn innehalten und sagte:
    «Schnalle ihn wieder um!»
    Die Hände noch auf der Gürtelschlaufe, sah Cadoc auf, mit klarem, prophetischem Blick.
    * * *
    Attilas Söhne stritten bereits um das Erbe, während der betagte König auf seinem hölzernen Thron in seinem Zelt in Hungvaria saß. Er hielt den Bogen mit der Hand umklammert und starrte vor sich hin. Sein Gesicht war grau wie altes Blei, seine Gedanken verschlangen ihn.
    «Denn von dieser Generation soll keiner sagen, wir seien die mächtigste gewesen. Der große Adler hat seinen Kopf abgewandt, seine goldenen Augen blicken uns nun nicht mehr an, er
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